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Datenschutz: Darum ist Zuckerbergs Metaverse eine Dystopie

Das Metaverse könnte das Internet umkrempeln. Aber was passiert dort eigentlich mit unseren Daten und unserer Privatsphäre? Darüber haben wir mit dem IT-Sicherheitsexperten James Arlen gesprochen.

5 Min. Lesezeit
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Das Metaverse könnte das Internet umkrempeln. (Foto: Lazy_Bear/Shutterstock)

Spätestens seit Mark Zuckerberg das Metaverse zur Zukunft der sozialen Plattformen erklärt hat, ist der Begriff im Mainstream angekommen. Für manche herrscht angesichts dieser Idee Goldgräberstimmung. Andere sind weniger euphorisch. Einer davon ist James Arlen, Chief Information Security Officer bei Aiven, einem kürzlich zum Einhorn gewordenen Database-as-a-Service-Anbieter mit Hauptsitz in Helsinki. Gopher-Space, World Wide Web, Web 2.0 – der fast 50-jährige James Arlen hat schon einige Meilensteine und Veränderungen miterlebt. Das Metaverse ist, was nach dem Social Web kommen wird, davon geht er aus. Er betrachtet es primär als eine neue Schnittstelle, über die wir künftig miteinander interagieren werden. Aber wird es ein sicherer Ort sein? Sind wir und unsere Daten im Metaverse sicher?

In der Literatur ist das Metaverse Gemeingut

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Neal Stephensons Science-Fiction-Klassiker „Snow Crash“  aus dem Jahr 1992 gilt als Geburtsstunde des Metaverse-Begriffs. Im Roman flüchten sich Menschen vor einer von Armut und Gewalt geprägten Realität in einen dreidimensionalen, virtuellen Raum, in dem sie als Avatare existieren. Klingt nicht nach einer erstrebenswerten Zukunftsvision. Das sieht auch James Arlen so. Allerdings gebe es einen wesentlichen Unterschied zu Mark Zuckerbergs Vorstellung: „In Stephensons Roman wird das Metaverse von einem fiktionalen IETF-Äquivalent verwaltet. Es ist Gemeingut, keine von einzelnen Großunternehmen umgesetzte Wirtschaftsvision. Insofern könnte man fast sagen, dass die Dystopie in ‚Snow Crash‘ sogar besser ist als das, was Facebook vorschwebt“, sagt Arlen und lacht.

Einen proprietären Web-Standard gab es schon einmal

Meta ist nicht der einzige Tech-Konzern, der sich mit dem Metaverse beschäftigt. Fortnite, Roblox und Mircosoft sind nur einige weitere bekannte Namen. Der Metaverse-Hype im Silicon Valley ist allgegenwärtig. Viele verschiedene Einflüsse, verteilte Macht also? Die Idee eines Metaverse, in dem Nutzer:innen von Roblox über Facebook zu Fortnite und zurück reisen können, würde nicht wirklich helfen, das Metaverse zu dezentralisieren, glaubt James Arlen. „Wer auch immer den Standard, das zugrundeliegende Prinzip, kontrolliert, wird am Ende die Kontrolle über das Metaverse haben.“

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Dass proprietäre Technologien das Internet prägen, sei nicht neu – und nicht wünschenswert, wie das Beispiel von Adobes Flash-Player gezeigt habe, sagt Arlen. Adobe Flash bereicherte das Web seit 1996 mit Animationen und Interaktivität. Das Plugin machte es möglich, Videos zu streamen und Spiele online zu spielen. In der Kritik stand Flash aufgrund von schwerwiegenden Sicherheitslücken. Auch waren Flash-Inhalte nicht Hardware-unabhängig abrufbar. Als Gegenentwurf zu diesem unzureichenden, proprietären Modell wurde 2008 der offene Standard HTML5 veröffentlicht.

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AR und VR spielen eine zentrale Rolle

Droht uns in der Zukunft ein zweites Adobe Flash? „Das Metaverse ist offensichtlich das künftige Kernstück von Facebooks Geschäftsmodell“, so Arlen. Geld verdient Facebook mit unseren Daten. Kürzlich sei er an einem Geschäft vorbeigekommen, mit Oculus-Quest-VR-Brillen in der Auslage. Die Verpackungen trugen den Aufdruck „from facebook“. Seine Befürchtung: „Wenn Facebook nicht nur den Interface-Standard, sondern auch die nötige Hardware bereitstellt, werden die Tracking-Möglichkeiten größer – und die Möglichkeiten auszuweichen unter Umständen kleiner.“

Aiven Chief Information Security Officer James Arlen blickt nicht nur fröhlich auf das Metaverse. (Foto: Arlen)

Augmented und Virtual Reality und die zugehörige Hardware spielen in Zuckerbergs Vision eine zentrale Rolle. Im September 2021 stellte der Konzern Ray-Ban Stories vor, eine Sonnenbrille, die es Träger:innen ermöglicht, Musik zu hören, über eine verschwindend kleine Kamera Bilder und Videos aufzunehmen und zu teilen und Telefonate entgegenzunehmen. Verarbeiten und hochladen können Nutzer:innen so erstellte Inhalte dann mithilfe einer Facebook-eigenen App: Facebook View. Laut Mark Zuckerberg sind Ray-Ban Stories ein Meilenstein auf dem Weg hin zu einer immersiven AR-Brille. Smarte Brillen eröffnen Meta neue Möglichkeiten, mehr Daten nicht nur über deren Nutzer:innen, sondern auch über alle Personen zu sammeln, die sich in deren Nähe befinden. Berichten zufolge soll Facebook sogar in Erwägung gezogen haben, die Brille mit Gesichtserkennungstechnologie auszustatten.

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Besteht die Chance auf einen offenen Standard?

Dass Meta diese Technologien open sourcen wird, hält Arlen für unwahrscheinlich. „Facebooks Open-Source-Tools sind großartig“, einige davon seien auch bei Aiven im Einsatz. „Aber der Kern, die Plattform ist nicht Open Source“, fährt er fort. Dass Facebook an unseren Daten festhalte, sei ein zentraler Aspekt ihres Geschäftsmodells, den würden sie nicht freiwillig offenlegen. „In aller Fairness und viel Optimismus ist es aber natürlich denkbar, dass Facebook einen Standard veröffentlichen wird, sodass es auch über alternative Hard- und Software möglich sein würde, ins Metaverse einzutauchen“, sagt er.

Er halte die Idee vom Metaverse nicht per se für schlecht. Es komme jedoch stark auf die Implementierungsdetails an: „Davon hängt ab, ob wir am Ende eine geschlossene Plattform haben.“ Und ob deren Betreiber die Kontrolle über Inhalte und den Zugang zu Anwendungen hätten, oder ob sich das Ganze offen gestalten werde, sagt Arlen. Er zieht eine Parallele zu Webbrowsern: „Es gibt zig verschiedene Browser, über die wir auf das Web zugreifen können.“ Das funktioniere, weil es einen offenen Standard gibt. „Die Grundlage all dieser Browser ist Open Source. Wir können uns den zugrundeliegenden Quellcode anschauen, wenn wir wollen. Das gibt uns die Möglichkeit, diesem Interface zu vertrauen.“

Kann die Gesetzgebung mit den Entwicklungen Schritt halten?

Bis Metas AR-Brille marktreif sein wird, soll es nach Einschätzung von Facebooks Chief Scientist Michael Abrash noch mindestens fünf bis zehn Jahre dauern. Auch der Metaverse-Experte Matthew Ball glaubt, dass noch zahllose Technologien entwickelt werden müssen, bevor wir von einem echten Metaverse sprechen können. „In der Zwischenzeit kann einiges schief laufen“, sagt James Arlen. „Die Datenschutzgrundverordnung der EU (DSGVO) beispielsweise gilt als eines der strengsten Datenschutzgesetze der Welt. Aber die DSGVO ist erst ein paar Jahre alt, vorher gab es das in dieser Form nicht. Das kanadische Privacy Gesetz wurde 2001 verabschiedet und hing dem Internet ebenfalls um Jahre hinterher. Die DSGVO ist nicht von einer bestimmten Schnittstelle abhängig, sie könnte theoretisch auch für das Metaverse gelten. Die Frage ist, ob die Regulierung mit künftigen Entwicklungen im Bereich AR und VR Schritt halten kann. Werde ich im Metaverse unerkannt die Straße entlanglaufen können?“, fragt Arlen. „Tracking, Anonymität oder das Recht darauf, vergessen zu werden – das alles würde heut anders aussehen, wäre die DSGVO 1991 bei der Entwicklung des Internet-Datentransferprotokolls http eingeflossen“, ist sich der Sicherheitsexperte sicher. Die letzten 20 Jahre hätten gezeigt, „dass diese Themen sorgfältig vorausgedacht werden müssen“. Wahrscheinlicher sei leider, dass sie erst im Nachhinein bedacht werden.

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Schlussendlich könne man weder voraussehen, welche Auswirkungen neue Technologien auf eine Gesellschaft haben werden noch wie sie verwendet werden. Wichtig sei, dass wir neue Entwicklungen kritisch hinterfragten, sagt Arlen. „Wir müssen lernen, wie die Technologien, die wir täglich nutzen, funktionieren, um das Metaverse nicht zu etwas werden zu lassen, das außer Facebook niemand wollte.“

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2 Kommentare
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Dein t3n-Team

Kantenhuber

Im Grunde ist Metaverse eine hysterische Reaktion von Zuckerberg und seinen Leuten auf die sich ausbreitenden Auswirkungen von DSGVO und anderen Gesetzgebungen. Das wird sich verstärken.

In Europa meist unbemerkt, breitet sich auch in den USA und vielen anderen westlichen Staaten sich verstärkender Unmut über die ausufernde Datensammelei der s. g. Sozialen Medien aus. Das läuft letztendlich auf einen Kipppunkt zu, wo selbst die unbedarftesten Nutzer dieser Dienste erkennen müssen, dass das reichlich uncool ist, sich solchen Datenkraken widerstandslos auszuliefern.

Antworten
GW

Früher speisten sich neue Erfindungen oft aus der Raumfahrt und dienten in der Regel für Vereinfachungen im alltäglichen Leben.
Heute gibt es des tiefen Griff in Spionage- und Ausspäh-Kisten für Jedermann…
Wem schon Smartphone und Smartwatch unangenehm sind, der wird bei Facebooks Brillenträgern eine mittlere Krise kriegen.
Ein anstehendes Verbot ihrer Nutzung im öffentlichen Raum, Lokalen etc. versteht sich von selbst.
Bleibt zu hoffen, daß die EU-DSGVO stets auf der Höhe der Zeit bleibt!

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