Modelleisenbahn mal anders: Deutsche Bahn schult Mitarbeiter mit AR und VR
Der Einstiegsbereich eines ICE-Zuges. Mit dem Vierkant wird die Verriegelung geöffnet. Hinter einer Klappe ein Hublift, der herausgezogen werden muss, mit ein paar Handgriffen arretiert wird und danach den Rollstuhlfahrer vom Bahnsteig in den Zug befördert. All das darf nur wenige Sekunden dauern, um nicht den Betriebsablauf zu stören. Geübt wird es daher mit einer VR-Brille und zwei Controllern, die derjenige, der das alles übt, in den Händen hält.
Möglich wird die Trockenübung mithilfe der Bahn-eigenen VR-Lösung, „Engaging Virtual Education“ (EVE) – und das, ohne dass ein Zug zum Üben tageweise aus dem rollenden Verkehr genommen werden muss. Solche Bewegungsabläufe, wie beispielsweise das Verwenden des Hublifts für Rollstuhlfahrer, der im neuen ICE 4 erstmalig in einem Fernverkehrszug der DB fest verbaut ist, lassen sich so im Selbststudium oder mit einem Trainer einüben. Insgesamt 28 Schritte sind beim Benutzen des Hubliftes nötig.
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Wie eine Zugbegleiterin erklärt, handelt es sich beim Boarding von Rollstuhlfahrern um eine Tätigkeit, die sie nicht täglich ausführt – und daher mithilfe eines solchen Lern-Tools schneller und mit weniger Aufenthaltszeit im Bahnhof erledigen kann. In Zukunft soll EVE auch zur Schulung von Mitarbeitern im Bordbistro eingesetzt werden.
Augmented Reality: Viscopic schult Wartung von Weichen
Einen anderen Ansatz verfolgt die AR-Lösung von Viscopic, einem Münchner Startup, das im Startup-Accelerator Mindbox der Deutschen Bahn dabei war. Seit 2016 existiert das Unternehmen, die Gründer des inzwischen 17-köpfigen Teams kommen aus dem universitären Umfeld der AR-Forschung. Hier wurde eine virtuelle Schulung mit realitätsnahen Weichen-Hologrammen entwickelt, weitere Anwendungen sollen folgen.
Zum Einsatz kommen AR-Brillen aus der Hololens-Reihe von Microsoft. Der Techniker im Außendienst soll so bei der Instandhaltung von Weichen genau erkennen können, welche Abstandsmessung er wo durchzuführen hat und wie genau ein bestimmter Weichentyp aufgebaut ist. Dank einer Hologrammansicht wird die Weiche so übersichtlich in Einzelteile zerlegt gezeigt.
Personal bei der Bahn: Jeder zweite Wartungstechniker scheidet demnächst aus
Wie nötig eine solche Lösung ist, zeigt eine Zahl: In den kommenden Jahren werden rund 8000 Wartungstechniker in den Ruhestand gehen – etwa die Hälfte des Personals in diesem Bereich. Die Folge daraus: Zahlreiche Kollegen müssen neu ausgebildet werden, andere ihr Wissen wieder auffrischen. Vieles davon betrifft Schulungen, die in der Realität nicht so einfach zu realisieren wären.
Die Nutzung von AR- und VR-Anwendungen soll dabei nach Aussagen der Bahn das herkömmliche Training nicht ersetzen. Doch gerade bei seltener ausgeführten Tätigkeiten sei die Nachschulung so einfacher und gewährleiste im Sinne des Arbeitsschutzes, dass das Unternehmen allen Verpflichtungen nachkommen könne. Bis 2020 will die Bahn daher das EVE-System zur Schulung sämtlicher Zugbegleiter im Fernverkehr einsetzen.
Während einige der Lösungen einfach eine geeignete Unterstützung zum Lernen darstellen, lässt sich auch in bestimmten Umfeldern (etwa beim Simulieren des Kuppelvorgangs) zeigen, wie eine Gefahrensituation aussehen würde, ohne dass sich einer der Beteiligten in Gefahr begeben muss. Auch geht es dabei um Praxisnähe, etwa bei Anwendungen, die jeweils nur ein zu Schulender gleichzeitig üben kann, wie beispielsweise das Entfernen eines Steines, der sich in einer Weiche verklemmt hat und diese blockiert.
An sieben Standorten kommen solche Schulungslösungen bereits zum Einsatz und weitere sollen zeitnah folgen. Der Kostenfaktor ist dabei, das gibt die Bahn unumwunden zu, eine zu vernachlässigende Größe. Denn zum einen verursacht jede Weichenstörung, jede Sperrung eines Verkehrsknotenpunktes und jeder Ausfall eines Zuges immense Kosten (und wird weniger teuer, wenn das Problem aufgrund gut geschulten Personals souverän behoben werden kann). Und zum anderen sei die Entwicklung solcher 3D-Animationen durchaus bezahlbar. Teilweise stellen Unternehmen wie Siemens auch ohnehin vorhandene CAD- und 3D-Modelle, etwa des Zuges, zur Verfügung, was die Umsetzung deutlich billiger und einfacher mache.
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