Neobroker-Apps wie Trade Republic, Robinhood oder Scalable Capital sind beliebt. Sie erlauben – momentan noch oft zum Nulltarif – den schnellen Einstieg in den Aktienmarkt. Das zeigte sich vor allem während der Corona-Pandemie, als viele Menschen zu Hause auf der Couch die Dienste der Neobroker entdeckten und so plötzlich ein Faktor an den Aktienmärkten wurden. Höhepunkt war der Memestock-Hype, als Kleinanleger:innen unter anderem der Gamestop-Aktie zu massiven Kursgewinnen verhalfen, nachdem sie sich zuvor in einem Reddit-Forum zum Aktienkauf verabredet hatten.
Doch das brachte den Trading-Apps auch Kritik ein – vor allem die Gamification-Elemente, die den Handel attraktiver gestalten sollen, sind vielen suspekt. Durch deren Einsatz bekommt das Investieren und Spekulieren für viele Nutzer:innen einen spielerischen Charakter – was vor allem Börsen-Neulinge zum Zocken verleiten könnte. Ob die Trading-Apps langfristig tatsächlich zu schlechten Entscheidungen führen, haben Forscher:innen der Hochschule München und der Universität Trier sich genauer angeschaut.
Studie: Verleiten Trading-Apps zum Zocken?
Ihre Studie zeigt, dass Neobroker tatsächlich neue Zielgruppen erreichen. Sie bestätigt aber auch die Vermutung, dass die Anleger:innen dort risikobereiter sind, wenn sie in Aktien, ETFs oder Kryptowährungen investieren.
Für die Studie nahmen über 500 Menschen an zwei repräsentativen Umfragen teil, darunter sowohl aktuelle Nutzer von Neobroker-Apps als auch Personen, die planen, in Zukunft am Aktienmarkt zu investieren. Die Forscher:innen wollten vor allem herausfinden, ob und wie die Nutzung von Trading-Apps das Verhalten von Anleger:innen verändert, insbesondere im Hinblick auf Risikobereitschaft, Handelsfrequenz und finanzielle Bildung.
Das Ergebnis: Neobroker-Apps erschließen neue Zielgruppen für den Aktienmarkt, denn sie sprechen tatsächlich vor allem Jüngere und Menschen an, die bisher nicht am Aktienmarkt aktiv waren. 57 Prozent der Nutzer:innen waren vor ihrer Registrierung keine aktiven Anleger:innen. Die Nutzer:innen sind auch etwas jünger (Altersdurchschnitt: rund 41 Jahre) als allgemeinen Anleger:innen (Altersdurchschnitt: rund 51 Jahre). Sie gehören also oft zur Generation der Millennials und Generation Z.
Allerdings zeigt die Studie auch: Die Neobroker-Apps erhöhen die Risikobereitschaft. Denn tatsächlich investieren Nutzer:innen dort regelmäßig in risikoreiche Finanzprodukte wie Derivate, Optionen oder Kryptowährungen. Dabei schätzen sie diese Finanzprodukte auch als weniger riskant ein als klassische Anleger:innen.
Laut den Forscher:innen ist die Risikobereitschaft der Neobroker-Nutzer:innen zudem höher als bei traditionellen Anleger:innen. Rund die Hälfte (52 Prozent) der Neobroker-Nutzer:innen investiert demnach, um einen „Thrill“ zu erleben, bei den traditionellen motiviert das nur etwa ein Drittel der Investoren (32 Prozent).
Die Nutzung der Trading-Apps senkt offenbar auch die Hemmschwellen für häufiges Handeln. App-Nutzer:innen führen im Durchschnitt vier Transaktionen pro Monat durch, während traditionelle Anleger nur ein bis zwei Transaktionen pro Monat tätigen. Allerdings steigt die Handelsfrequenz über die Zeit hinweg nicht signifikant an, wie die Forscher:innen feststellen.
Dabei scheint ihr Erfolg erst einmal für die App-Nutzer:innen zu sprechen: Denn die Neobroker-Kund:innen erzielten durchschnittlich 11,4 Prozent Rendite im Jahr, während traditionelle Anleger:innen rund 6,2 Prozent schaffen. Männer erzielen hier zudem im Durchschnitt höhere Renditen als Frauen.
Das Finanzwissen steigt – auf geringem Niveau
Die Nutzung der Trading-Apps verbessert langfristig das Wissen über Finanzmärkte. Nach mindestens einem Jahr der Nutzung berichteten ein Großteil der Nutzer:innen, dass sie ein besseres Verständnis für grundlegende Finanzkonzepte wie Diversifikation oder das Risiko/Rendite-Verhältnis entwickelt haben. Neobroker-Nutzer:innen informieren sich jedoch häufiger als traditionelle Anleger:innen in sozialen Medien oder nutzen die von Brokern bereitgestellten Informationen.
Nicht so gut Bescheid wissen die App-Nutzer:innen allerdings über die versteckten Kosten der Neobroker. Nur sieben Prozent der Neobroker-Nutzer:innen weiß, wie das Geschäftsmodell von Trading-Apps funktioniert.
Vor allem die Mechanik des sogenannten Payment-for-Order-Flow (PFOF) ist vielen nicht bewusst. Dabei erhalten Neobroker eine Art Rückvergütungen von Handelspartnern für die Ausführung von Kundenaufträgen, anstatt Gebühren direkt von den Nutzer:innen zu erheben. Viele Nutzer:innen glauben daher, das Handeln über Neobroker sei „kostenlos“, da die Plattformen oft sehr niedrige oder gar keine Transaktionsgebühren verlangen..
Die Europäische Union hat dem PFOF allerdings schon einen Riegel vorgeschoben, die Neobroker bauen daher gerade bereits ihre Geschäftsmodelle um. Scalable Capital plant etwa eine eigene Depotführung hat eine eigene Handelsplattform, die „European Investor Exchange“ (EIX), gelauncht. Trade Republic wird dank der neuen Vollbank-Lizenz wohl die eigenen Bankdienstleistungen weiter ausbauen.