Der VW Golf der nächsten Generation wird offenbar ein reines Elektromodell und bei seiner Markteinführung im Jahr 2028 das erste Fahrzeug der Volkswagengruppe sein, der auf der neuen SSP-Architektur basieren wird. Dabei soll der Elektro-Golf nicht den VW ID 3 beerben und auf der modernsten Elektroplattform des Konzerns aufbauen.
Nicht MEB: VW Golf 9 soll auf SSP-Architektur basieren
Dass es einen Verbrenner-Golf nach dem Golf 8 nicht mehr geben wird, ist schon seit April 2023 bekannt, jedoch erhält das aktuelle Modell 2024 noch einen letzten Facelift. Damals sagte Volkswagen-Chef Schäfer, der Golf 8 sei mit der „großen Produktaufwertung prima bis Ende der Dekade aufgestellt“.
Bis zum Ende der Dekade scheint der Golf 8 auch mit Facelift nicht mehr zwingend zu haben, wie Schäfer in einem Interview mit dem britischen Magazin Autocar sagt: Denn ab 2028 soll die nächste, rein elektrische Generation vom Band laufen.
Statt auf der aktuellen MEB- oder der MEB-Plus-Plattform zu basieren, soll der Golf 9 die in Entwicklung befindliche SSP-Architektur erhalten. Dieser Plan wäre eine große Planänderung, denn bislang war das „Flaggschiff-Modell“ Trinity für die SSP-Premiere vorgesehen. Diese Roadmap stammte aber noch aus den Zeiten von Ex-Konzernchef Herbert Diess und Ex-Markenchef Ralf Brandstätter.
Vollkommen überraschend wäre eine solche Planänderung also nicht, denn der neue Konzern-Chef Blume und der VW-CEO Schäfer haben in der vergangenen Zeit allerhand Entscheidungen ihrer Vorgänger umgeworfen. Allerdings verfolgen sie weiterhin das Ziel, VW bis 2033 in Europa vollkommen zu elektrifizieren.
Im Zeitplan wäre VW mit der SSP-Architektur aber nicht. Denn ursprünglich sollte sie schon 2026 fertig sein. Die Verzögerungen dürften unter anderem mit bekannten stockenden Abläufen bei der Software-Entwicklung zusammenhängen. Wir erinnern uns: Blume hatte die Leitungspositionen der Software-Sparte Cariad womöglich daher neu aufgestellt.
Die spätere Fertigstellung der SSP-Architektur soll Audi auch dazu veranlasst haben, die E-Plattform des chinesischen Autobauers SAIC einzukaufen.
VW Golf 9 mit SSP-Architektur
Wenn der Golf 9 ab 2028 auf der neuen SSP-Plattform kommt, soll das Fahrzeug gegenüber der aktuellen MEB-Architektur einen deutlichen Leistungs- und Nutzwertzuwachs hinlegen. Autocar geht davon aus, dass der nächste elektrische Golf eines der technologisch fortschrittlichsten Familienautos auf dem Markt sein könnte.
„Die SSP-Architektur wird die Notwendigkeit von Skalierung und Standardisierung mit Differenzierung und Geschwindigkeit in Einklang bringen“, sagte Oliver Blume vor nicht allzu langer Zeit und kündigte eine Reihe von technologischen Fortschritten an, die die zweite Welle der Elektroautos von VW von der ersten maßgeblich unterscheiden werden.
Zu diesen Verbesserungen gehört vor allem die Integration einer 800-Volt-Architektur, die Ladegeschwindigkeiten ermöglicht, die weit über die 175 Kilowatt der aktuellen E-Fahrzeuge des VW-Konzerns hinausgehen.
Autos, die auf SSP basieren, werden in der Lage sein, in nur zwölf Minuten von 10 auf 80 Prozent aufzuladen, so Volkswagen. Derzeit seien bei den neuen MEB-Modellen eher 35 Minuten erforderlich.
VW ist indes nicht der erste Autobauer, der auf ein 800-Volt-Netz baut. Auch Hyundai, Kia sowie BMW und Mercedes setzen darauf oder haben zumindest entsprechende Pläne.
Laut VW ist die Plattform und der dazugehörige „Software-Stack 2.0“ auch für autonomes Fahren nach Level 4 ausgelegt. Das bedeutet, dass jedes Golf-Modell, das auf diesem System basiert, autonomes Fahren ermöglicht, sofern die örtlichen Gesetze es zulassen.
VW Golf 9 wird offenbar vorerst neben ID 3 positioniert
Wenn der Golf 9 auf den Markt kommt, wird er nicht den ID 3 (Test) ersetzen, so Schäfer. Der ID 3 könne eher als ein Golf Plus verstanden werden.
Allerdings könne der ID 3 wahrscheinlich langfristig in die Golf-Familie eingegliedert werden, statt weiterhin eigenständig zu bleiben und als zweite Generation aufgelegt zu werden. Damit könnte der Golf weiterhin das einzige VW-Familienauto mit Fließheck in der E-Autowelt bleiben.
Eine Entscheidung sei „nicht zu 100 Prozent“ gefällt worden, so Schäfer. Der ID 3 könnte stattdessen in einer weiteren Generation aufgelegt werden. Aber eben nicht als Familienfließheck.
Interessant ist die Beobachtung von Electrive: Der zufolge soll das Unterscheidungsmerkmal bei der Karosserie nicht die Länge des Elektro-Golfs werden, sondern seine Höhe. Electrive-Autor Sebastian Schaal macht darauf aufmerksam, dass Schäfer schon im April 2023 erklärte, dass der elektrische Golf die SSP benötige – „und zwar wegen der ‚Golf-Gene‘“.
So soll das Modell „etwa ein flacheres Dach gegenüber dem ID 3“ erhalten, was auf Basis des MEB oder der Weiterentwicklung MEB Plus nicht möglich sei.
Vollelektrischer Golf soll günstiger als der ID 3 werden
Spannend ist in Bezug auf die Fahrzeugstrategie selbstredend die Preisgestaltung. Laut Schäfer werde die nächste Golf-Generation dank der SSP-Architektur die gleiche Gewinnmarge erzielen wie Autos mit Verbrennungsmotor. Zudem konnten die Entwicklungskosten im Vergleich zu MEB-basierten Autos um 30 Prozent gesenkt werden. Das bedeutet, dass die kommende Elektroauto-Generation billiger werde.
Schäfer zufolge könne der Golf auf SSP-Basis damit eher im Preisbereich des Golf 8 verortet sein als dem des VW ID 3. Derzeit ist der Golf 8 ab unter 30.000 Euro zu haben und damit etwa 10.000 Euro günstiger als das Basismodell des ID 3.