Liebe Leserinnen und Leser, seid ihr pro oder contra Homeoffice oder mögt ihr den Mix aus beiden Welten? Die Frage stellt Apple den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht. Apple allein entscheidet und gibt dem Team jetzt zu verstehen: Ab dem 23. Mai wird auf ein Hybridmodell mit Bürotagen am Montag, Dienstag und Donnerstag umgestellt. Apple-CEO Tim Cook bezeichnete die Vorteile der persönlichen Zusammenarbeit als „unersetzlich“, doch die Belegschaft reagiert viel mehr entsetzt. Sie wirft der Firmenleitung vor, Angst vor der Autonomie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie einem Kontrollverlust zu haben. Bei Apple passiert gerade das, wovor Führungsexperten seit geraumer Zeit schon warnen. Die Rückkehr ins Büro darf unter diesen Umständen nicht passieren. Doch wie geht das besser?
Homeoffice-Regeln: Tim Cook hat Fehler gemacht
Meiner Meinung nach hat Apple zwei Fehler begangen: Zum einen hinterlässt die Konzernleitung bei der Belegschaft den Eindruck, dass sie die entbehrungsreichen Hochzeiten der Pandemie nicht gut genug gemeistert hätten, indem vorgegeben wird, dass persönliche Anwesenheit nach eigenen Worten unersetzlich ist. Diese Haltung kann auch als Ohrfeige für all diejenigen gelten, die im Homeoffice bisher große Anstrengungen, Einschränkungen und vielleicht sogar echtes Leid erlebt haben. Zum anderen hat es das Management-Board ganz offensichtlich verpasst, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Ausarbeitung einer Homeoffice-Richtlinie einzubeziehen. Welcher Fehler jetzt schwerer wiegt, das liegt im Auge des Betrachtenden. Beide zusammen ergeben jedoch eine explosive Mischung.
„Wie glaubhaft ist Apple, wenn es um die Digitalisierung geht?“
Denn das Thema wird allmählich zum PR-Fiasko. Der bis dato letzte Akt in Form eines offenen Briefes beschwert sich über die neue Regelung und geht nicht zimperlich mit Apple um: Dass man Produkte fürs Homeoffice baue und dennoch ins Büro müsse, ist nur eine von vielen starken Aussagen, die das Unternehmen langfristig in die Bredouille bringen könnte – nämlich vor allem dann, wenn das Unternehmen über die eigene Vision und die damit zusammenhängenden Werte öffentlich spricht. Wie glaubhaft ist Apple, wenn es um die Digitalisierung geht? Soll Technologie uns nicht freier machen in der Art und Weise wie wir arbeiten? Welchen Eindruck hinterlassen diese Fragen bei Menschen, die für den Konzern künftig arbeiten wollen? Arbeitgebende wie Airbnb sind da weiter.
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Hartgesottene Apple-Fans erinnern sich noch gut an die Hammerwerferin Anya Major im legendären 1984-Werbespot, der mit der Konformität in der Technologie-Welt bricht und als Befreiungsschlag gegen Obrigkeiten verstanden werden durfte. Steve Jobs hat damit die Werte des Unternehmens symbolträchtig in die eigene DNA geschrieben, doch die beginnt zu bröckeln. Es liegt nicht an mir, vorzugeben, ob und wenn ja wie oft Apple-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Büro oder im Homeoffice zu arbeiten haben. Es liegt aber auch nicht allein an Tim Cook und seinem Führungsstab. Vielmehr ist es eine Frage, die gemeinsam geklärt werden sollte, sonst ist Apple nicht viel mehr als die Befehlsgewalt im Spot, von der sich die Menschen befreien – und zwar mindestens im Rahmen hundertfacher Kündigungen.
Einen dieser Abgänge muss der Konzern inzwischen bereits eingestehen: Der renommierte KI-Forscher Ian Goodfellow hat sich Anfang der Woche von Apple losgesagt mit dem Grund, dass er diese starre Haltung für rückwärtsgewandt halte. „Ich bin der festen Überzeugung, dass mehr Flexibilität die beste Politik für mein Team gewesen wäre“, erklärt er. Goodfellow gilt als Vater des GAN, mit dem maschinelles Lernen optimiert werden kann. Diese Netzwerke verwendet man etwa, um Deepfakes zu ermitteln. Bis 2019 war er Senior Staff Research Scientist bei Google und einer der Top-Forscher dort. Insider munkeln jetzt, dass er zu dem KI-Forscherteam von Open AI wechseln könnte. Im sogenannten War for Talents nicht mitzuhalten, aufgrund einer Homeoffice-Richtlinie, ist schon bitter.
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Von den Problemen, die derzeit bei Apple herrschen, sollten Führungskräfte unbedingt lernen und sich vor einem etwaigen Rückruf ins Büro ein paar Gedanken machen. Dazu zählt vor allem, die Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen und sie in die Ausarbeitung neuer Richtlinien einzubeziehen. Das ist eine Mindset-Frage, die entscheidend sein kann: Herrscht in dem Unternehmen ein Geist der Zusammenarbeit und der Gemeinschaft oder ein Geist der Skepsis und Kontrolle? Nicht alle mögen das Homeoffice, nicht alle mögen das Büro – das ist auch ok. Aber am Umgang mit diesem Thema wird die Unternehmenskultur am Ende gemessen. Meine persönliche Meinung: Lasst das Team selbst entscheiden – müssen wir diese Woche zusammenkommen oder können wir den Job ortsungebunden erledigen? Es kann so einfach sein!