11 Tipps für das Weihnachtsgeschäft
Der Singles‘ Day ist gerade gelaufen, schon steht der Black Friday vor der Tür. Der Onlinehandel glüht und viele stellen sich die Frage, ob die guten Umsatzergebnisse aus dem Vorjahr wiederholbar sind. Der Einzelhandelsverband HDE prognostiziert eine neues All-Time-High mit insgesamt 85 Milliarden Euro für das Jahr 2021. Das sind 17 Prozent mehr als im Boomjahr 2020, das bereits selbst mit einem Anstieg von 24 Prozent zu 2019 gemessen wurde. Weltweit sollen sieben Prozent mehr digital umgesetzt werden, meint ein Forecast von Salesforce.
Der Hintergrund dieser positiven Ertragsvermutung für das aktuelle Jahr ist vor allem darin zu sehen, dass sich Kunden grundsätzlich für Onlinebestellungen interessierten, die das vorher nicht auf dem Zettel hatten. Einfach deshalb, weil letztes Jahr die Möglichkeit fehlte, stationär einzukaufen.
Zweitens haben auch bestimmte Produktkategorien neu Fuß gefasst, die früher eine untergeordnete Rolle spielten. Ein herausragendes Beispiel ist Online-Fitness. Die Umsätze mit digitalen Yoga-Kursen oder Peloton-Fahrradrennen haben sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt.
Ein Teil dieser Sondereffekte wird wieder zurückgehen, je mehr Normalität wieder in den Shopping- und Freizeitalltag Einzug erhält. Ein Teil wird aber auch bleiben. Corona hat als Einstiegsdroge gewirkt. Wer auf den Geschmack gekommen ist, sich Lebensmittel nach Hause liefern zu lassen, oder wer sich ein Peloton-Bike gekauft hat, wird mittelfristig nicht mehr darauf verzichten wollen.
Die Customer-Journey ändert sich
Was bedeutet das für den E-Commerce? Es bedeutet zumindest eines: Die Standards werden höher. Player, die mit Risiko-Kapital ausgestattet sind und Märkte margenfrei adressieren, wie zum Beispiel die Schnelllieferdienste für Lebensmittel, setzen die Messlatte ziemlich hoch für Anbieter, die auch Gewinn mit ihrem Geschäft erlösen wollen.
Außerdem verändert sich die Customer-Journey derzeit drastisch. Der eigene Onlineshop verliert an Bedeutung und auch klassisches Display-Advertising funktioniert dank Cookieverlust immer schlechter. Aber die Rolle wird bestens besetzt von Social Media und Influencer-Marketing. Es gibt keine nennenswerte Plattform, in der nicht direkt verkauft werden kann.
Das alles und noch viel mehr gilt es, für den Endspurt im Weihnachtsgeschäft 2021 zu berücksichtigen. Wir haben die besten Tipps von Handels- und Marketingexperten zusammengestellt.
1. Keine Angst vor Kundenkontakt
Einer der heißen Trends des Jahres ist Conversational Commerce, also betreutes Einkaufen. Und es gibt zwei Beispiele, die immer wieder genannt werden: Holy Energy und Miss Pompadour. Beide verkaufen über Whatsapp. Sie betreuen ihre Kunden individuell, können dank Direktkontakt Upselling betreiben und gleichzeitig zeigen, dass sie Problemlöser sind und nicht Kistenschieber. Katharina Kremming von Messengerpeople sagt: „Es ist eine Frage des Mindset. Man muss den direkten Kontakt zum Kunden schon wollen.“
Ja, die Kosten der unmittelbaren Conversion sind vielleicht höher, aber dadurch ergibt sich das Potential für eine dauerhafte Kundenbeziehung.
2. Die First-Party-Strategie
„Die Kunden eines unserer Hotels sind gleichzeitig Prospects für die anderen“, sagt Christian Sroka, Inhaber der Hamburger Agentur Mazeline. Er betreut die Hotelgruppe seines Bruders, die Heimathafenhotels. Und aktuell nutzt Sroka die Gelegenheit, um sich technisch neu aufzustellen. „Wir müssen die Customer-Journey der Kunden noch besser verstehen.“
Startet noch heute mit einer erweiterten CRM-Strategie oder schafft euch gleich eine CDP an, eine Customer-Data-Platform. Die zentrale Kundendatenbank ist Gold wert, wenn man Kunden, die an Weihnachten gekauft oder sich zumindest für ein Produkt interessiert haben, dauerhaft bespielen will.
3. Gebotsstrategie anpassen
Die Experten von Smarketer legen in ihrem Leitfaden zurecht besonderen Wert darauf, dass man sein Bidding für Suchmaschinen- und Amazonanzeigen überprüft. Wer fixe Maximalgebote eingibt, fliegt möglicherweise in der Zeit um den Black Friday temporär raus. Die Experten von Smarketer raten, man sollte vielleicht deren KI-Algorithmus Smartbid nutzen und ihm freie Hand lassen. Christian Otto Kelm von Amalyze ist nicht immer ganz sicher, ob die Automatik das Meiste rausholt. Das muss man testen. Worin er sich aber ganz sicher ist, ist die Tatsache, dass man eine saubere Ertragsberechnung braucht, um die Maximalgebote festzulegen. Viele Anbieter machen das immer noch aus dem Bauchgefühl heraus.
4. Influencer verkaufen immer
„Das Produkt muss ins Leben der Influencer passen und nicht umgekehrt“, rät Influencer-Beraterin Sarah Emmerich. Das bedeutet, dass man zuerst nach Influencern sucht und mit denen gemeinsam dann ein Konzept für eine Kampagne erarbeitet. Das hilft vor allem, wenn man Kanäle nicht kennt. Der Reiseanbieter Dertour hat im März 2021 mit einer Tiktok-Kampagne zu Urlaubsfantasien im Lockdown über zehn Millionen Views eingesammelt.
Dafür reicht die Zeit übrigens auch jetzt noch. Influencer sind es gewohnt, schnell und präzise zu arbeiten. Und Social-Media-Netzwerke sind die Top-Entdeckungsplattformen für neue Produkte. Denkt auch daran, für einen Schnellstart der Aktion etwas Mediageld in die Hand zu nehmen, um die Posts damit sichtbarer zu machen.
5. Lagerbestände auf Google ausweisen
Etwa ein Drittel aller potentiellen Kunden im stationären Geschäft fährt erst gar nicht los, wenn man nicht sicher weiß, dass ein Laden ein bestimmtes Produkt vorrätig hat. Das ist besonders vor Weihnachten enorm ärgerlich, weil die Zeit knapp ist. Nutzt die Local Inventory Ads oder Product Listing Ads von Google, um die Bestände online anzuzeigen.
6. Vorsicht vor „schlechten“ Anzeigen
Die Spezialisten von Smarketer stellen immer wieder fest, dass gerade am Black Friday Werbemotive gebaut werden, die Google ablehnt. Und das ist besonders ärgerlich, wenn man keine Zeit mehr hat, zu reagieren. Google sagt selbst, die drei häufigsten Ablehnungsgründe sind:
- Texte und Grafiken im Bild. Laut Google-Specs darf nur das Produkt abgebildet sein.
- Falscher Preis: Ooops, die Promotion hat einen anderen Preis als im Shop.
- Verfügbarkeit und Lieferbedingungen sind anders als im Shop.
Und auch Anzeigen, die zu falschen Suchbegriffen ausgespielt werden, gilt es, schnell zu eliminieren. Das macht man über Ausschluss-Keywords. „Wer nur Nike-Turnschuhe verkauft, könnte Adidas als Keyword ausschließen“, meint der Google-Shopping-Guide von Smarketer.
7. Der Geschenkefinder
Etwa ein Drittel der Kunden kaufen schon am Black Friday für andere und nicht für sich selbst. Da diese Kunden im einzelnen Geschenkthema nicht notwendigerweise sattelfest sind, sind sie auf Hilfe angewiesen. Der „Geschenkefinder“ ist bereits ein spannender Suchbegriff. Insofern ergibt es Sinn, einen solchen einzurichten. Das ist kein Hexenwerk.
Die Schmalspurvariante funktioniert nur als Suchfilter. Der Weltbild-Verlag segmentiert nach Männern, Frauen und Kindern, fragt nach dem Anlass und gibt dann noch die Möglichkeit zur Preisauswahl. Alternativ könnte man einfach auch die Bestseller der wichtigsten Kategorien als Inspirationshilfe anbieten. Das ist letztlich eine Seite Content.
Eine Form des Content-Recyclings erlaubt ein Geschenkfinder, der mit dem klassischen Kaufratgeber fusioniert wird. Bei Rose Bikes wird nach dem Nutzungsszenario für Räder gefragt. Geht es um Sport, Alltag oder Touren? Im nächsten Schritt wird die subtile Frage nach Elektrounterstützung gestellt, und dann geht es tiefer in die Spezifikation. Bei jedem Schritt werden bereits zur Auswahl passende Räder angezeigt.
Wer noch mehr Wirkung auf die Suchmaschine entfalten möchte, der nutzt die eigene Domain wie Aldi mit aldi-geschenke.de.
8. Neue Werbeformate nutzen
Wer schnell Reichweite benötigt für seine Weihnachtsaktion, wird vermutlich zuerst an Fernsehwerbung denken und diesen Gedanken gleich wieder verwerfen. Das Schalten klassischer TV-Spots ist zu teuer.
Aber es tut sich etwas in diesem Markt. Fast 60 Prozent aller deutschen Fernseher sind ans Internet angeschlossen. Und da gibt es zwei unterschiedliche Werbeformen. Zum einen gibt es die Werbung im Menü des Fernseher-Herstellers. Da ist Samsung in Deutschland erste Wahl. Hier erreicht man auch Menschen, die gar nicht fernsehen, sondern gerade ihre Spielekonsole anwerfen wollen.
Zum anderen gibt es Formate in den Streaming-Diensten wie Sky, Dazn sowie Streaming-Apps wie Rakuten, Joyn oder Zattoo. Die kann man auch mit überschaubarem Budget bespielen und das Beste: Es gibt datenschutzkonformes Targeting. „Die erste Targeting-Option ist sicher die regionale Ausspielung“, weiß Christian Wilkens, frischgebackener Chief Client Officer der Großagentur Mediacom. Und hinzu kommt der Kontext. Samsungs Smart TVs tracken mit einer Technik namens ACR (Automated Content Recognition) jeglichen Inhalt, der über die Mattscheibe flimmert. Das gilt auch für die Art der Spiele, die gespielt werden.
Aber nicht vergessen: Die Werbung läuft auf dem Big Screen. Sie muss also schon knallen. Eventuell kann man das mit der Influencer-Idee kombinieren und mit einem Creator gemeinsam ein Format entwickeln.
Tipp: Wenn schon ein guter Video-Spot da ist, gehört er auch auf Youtube. Die Experten von Smarketer empfehlen das Format Trueview for Shopping mit direktem Link zum Produkt. Und das Video kann auch auf in der neuen und schnell wachsenden Kategorie Digital out of Home zum Einsatz kommen. Denn Außenwerbung kann inzwischen sehr feingliedrig segmentiert werden. Zum Beispiel erreicht man sogar Trainierende in Fitness-Studios. Man spricht von sogenannten Affinitäts-Audiences.
9. Mehrkanalstrategie
Letzteres sollte man auch ganz grundsätzlich planen. Die Bespielung von fünf oder mehr Kanälen erzeugt laut Smarketer einen signifikant höheren ROI als wenn es nur zwei Kanäle sind. Das hat zum Beispiel damit zu tun, dass manche Gruppen von Usern manche Kanäle nicht nutzen. Das gilt schon allein für Mobile. Über die Hälfte der E-Commerce-Käufe 2021 werden auf mobilen Endgeräten durchgeführt. Da liegt es nahe, dass auch die Werbung mobil läuft, um so wenig Reibungsverlust wie möglich zu bieten.
Mehrkanal aus Sicht des Shopbetreibers heißt aber auch, die Produkte über mehrere Plattformen zu verkaufen. Gerade bei den großen Handelsplattformen Amazon, Otto, Zalando ist die Systematik für das Anbieten ähnlich. Dazu kommen Themenspezialisten und Affiliates. Und wenn man dann auch noch direkt auf Social Media verkauft, kommen die Kunden kaum vorbei.
Und noch ein letzter Gedanke: Neben den klassischen Shopping-Aktionen wie Black Friday gibt es auch Alternativen wie den Green Friday, den Circular Monday oder den Fair Friday. Das sind Verkaufstage, bei denen sich nachhaltig wirtschaftende Shops und Marken präsentieren und vielleicht gehört ihr dazu.
10. Der ewige Gutscheine
Laut Google Trends hat sich 2020 die Suche nach Gutscheinen fast verdoppelt im Vergleich zu 2019. Es bleibt ein Evergreen-Tipp: Bietet Geschenkgutscheine an. Und experimentiert mit den Default-Gutscheinwerten. Was passiert, wenn der mittlere Gutschein statt den klassischen 50 Euro plötzlich 60 wert ist und kostet. Erzeugt das weniger Conversions oder bleiben die konstant?
Und noch ein zusätzlicher Tipp, der bei der aktuellen Entwicklung der Marketing-Landschaft immer wichtiger wird. Je weniger Targeting-Kriterien zur Verfügung stehen, desto kreativer muss die Werbung sein.
11. Your creative has to be irresistible
Die Advertising-Experten von Moloco, die sich vor allem um die mobile Optimierung von Kampagnen kümmern, haben einen Grundsatz erarbeitet: In Zeiten, in denen der Personenbezug nicht mehr herstellbar ist, wird die Kreativität im Werbemittel als Unterscheidungsfaktor wichtiger.
- Wenn ihr bisher mit persönlichen Produktempfehlungen gearbeitet habt, ersetzt ihr das durch Besteller, am besten mit Verkaufszahlen. Aber Achtung: Dieser Social Proof funktioniert nicht, wenn ihr etwas Einzigartiges und Exklusives verkaufen wollt.
- Integriert Vertrauenssymbole in die Anzeige, damit dem Nutzer, der euch nicht kennt, sofort klar wird, dass es sich um einen seriösen Anbieter handelt. Das gilt zum Beispiel für die Gütesiegel von Trusted Shops oder Stiftung Warentest.
- Nutzt die Kommentare der bestehenden Kunden in den Bewertungen, um die wirklich wichtigen USP des Produkts herauszufinden und schreibt sie ins Banner.
- Eventuell kann man sogar direkt Kundenzitate im Banner aufnehmen, aber bitte vorher um Erlaubnis fragen.
- Experimentiert mit ungewöhnlicher Visualisierung. Denkt mal an die Toyota-Kampagne „Nichts ist unmöööglich“ mit den Affen. Absurd, albern, aber man erinnert sich auch dreißig Jahre später noch daran. Und denkt daran: Tiere funktionieren immer.
So, jetzt sollte eurem Verkaufserfolg nicht mehr viel im Weg stehen, außer Blut, Schweiß und Tränen.