Apples Mixed-Reality-Headset: Angeblich mit Gestensteuerung und iOS-Oberfläche in 3D

Seit nunmehr sieben Jahren soll Apple an seiner ersten neuen Produktkategorie nach der Apple Watch werkeln und sie nun bald der Weltöffentlichkeit vorstellen. Im Vorhinein verrät Bloomberg-Reporter Mark Gurman mit seinen immer wieder überraschend tiefen Einblicken in den Apple-Kosmos, wie das MR-Headset funktionieren und was es unter der Haube haben soll.
Reality Pro: MR-Headset ohne Controller, aber mit vielen Sensoren
Wie Gurman berichtet, soll Apple mit dem voraussichtlich 3.000 US-Dollar teuren Headset einen neuen Ansatz für virtuelle Meetings und immersive Videos verfolgen und damit die derzeit von Meta dominierte VR-Branche aufmischen. Laut dem Bloomberg-Reporter verfolgt Apple das Ziel, etwas „Neues auf den Tisch zu bringen“. Das beginne schon bei der Steuerung: Anstelle eines klassischen Controllers sei es möglich, per Augen- und Hand-Tracking zu navigieren.
Realisiert werde die Steuerung über mehrere nach außen gerichtete Kameras, die die Hände des Benutzers analysieren können. Ferner sollen Sensoren im Gehäuse des Geräts die Augen erkennen. Mit diesen Sensoren könne der:die Träger:in das Gerät steuern, indem er:sie auf ein Element wie eine Taste, ein App-Symbol oder einen Listeneintrag auf dem Bildschirm schaue, um das Element auszuwählen.
Der:die Benutzer:in drücke Daumen und Zeigefinger zusammen, um die Aktion auszulösen, ohne etwas festhalten zu müssen. Dieser Ansatz unterscheidet sich laut Gurman von den Headsets anderer Hersteller wie Meta oder Sony, die in der Regel einen Handcontroller benötigen.
Gurmann zufolge sei es zudem möglich, zwischen dem VR- und dem AR-Modus mittels einer digitalen Krone ähnlich wie bei der Apple Watch zu wechseln. Über dieses Feature berichtete schon das Magazin The Information Anfang des Januar. In der VR-Ansicht sehen Nutzer:innen Bilder und Inhalte innerhalb des Headsets auf hochauflösenden Displays (mutmaßlich von Sony); bei AR werden digitale Inhalte über die realen Ansichten im Passthrough-Modus gelegt.
Für Brillenträger:innen nicht unwichtig: Apple soll Nutzer:innen mit Korrektionsbrillen maßgeschneiderte Linsen anbieten, die im Gehäuse selbst sitzen, so Bloomberg.
Reality One: Als erweiterter Mac-Monitor
Wie Gurman berichtet, soll das Headset zum einen dazu in der Lage sein, „immersive Videoinhalte zu zeigen, als externer Bildschirm für einen angeschlossenen Mac zu dienen und viele Funktionen von iPhones und iPads zu replizieren“.
Bei Videocalls per Facetime mit dem Headset soll das Gesicht und der komplette Körper der Benutzer:innen realistisch in der virtuellen Realität dargestellt werden können, berichtet Bloomberg. Diese Avatare ermöglichten es zwei Personen mit jeweils einem Apple-Headset, miteinander zu kommunizieren „und das Gefühl zu haben, im selben Raum zu sein“. Dieser Ansatz unterscheide sich von den virtuellen Besprechungsräumen der Meta-Headsets, den Horizon Workrooms, die einen eher cartoonartigen Avatar des Benutzers erstellen.
Für diese hochauflösenden Ganzkörperavatare werde viel Rechenpower benötigt, sie seien daher nur bei Videochats mit zwei Personen nutzbar. Facetime-Sitzungen mit mehreren Personen seien auch möglich, zusätzliche Nutzer:innen würden dabei als Symbol oder Memoji angezeigt, heißt es.
Reality Pro: Videos in VR – in der Wüste
Neben dem Führen von Videocalls mit Ganzkörperavataren soll eines der weiteren relevanten Features des Headsets das immersive Anschauen von Videos sein. Apple habe die Entwicklung von VR-Inhalten für die Plattform mit etwa einem halben Dutzend Medienpartnern besprochen, darunter Walt Disney und Dolby Laboratories, so Bloomberg.
Apple arbeite ferner daran, sein eigenes Apple-TV-Plus-Material für das Headset anzupassen. Als Teil dieser Pläne übernahm Apple 2020 das Streaming-Unternehmen Next VR mit dem Ziel, Sportinhalte in VR zu erstellen. Auch Gaming werde eine Rolle spielen, heißt es.
Das Headset wird laut Bloomberg eine spezielle Videofunktion erhalten, die Zuschauer:innen das Gefühl geben kann, einen Film auf einer riesigen Leinwand in einer anderen Umgebung zu sehen – etwa in der Wüste oder im Weltraum.
Während das Video des Headsets immersiv sei, sollen die Lautsprecher weniger leistungsstark sein – das berichtete kürzlich bereits The Information, weshalb Nutzer:innen Airpods-Kopfhörer tragen sollten, um „einen vollen räumlichen Klang zu erhalten“.
Software des Reality-Pro-Headsets: rxOS soll wie iOS in 3D aussehen
Das Betriebssystem ist zumindest namentlich zunächst als RealityOS, anschließend als rxOS hier und dort aufgetaucht; Gurman will an weitere Informationen zur Nutzeroberfläche gelangt sein. Diese beschreibt er als ähnlich – auch hinsichtlich des Funktionsumfangs – der des iPhones und iPads, allerdings werde das Unter-Interface in einer 3D-Umgebung dargestellt.
Unter anderem seien der Safari-Webbrowser, Fotos, Mail, Nachrichten und die Kalender-App an Bord. Ferner werde es Apps für weitere Apple-Dienste geben wie etwa den App-Store zum Installieren von Drittanbieter-Software, Apple TV Plus, Musik und Podcasts. Das Unternehmen arbeite überdies an Funktionen zur Gesundheitsüberwachung, so der Bloomberg-Reporter.
Durch die Nähe zu iOS und iPadOS soll das Nutzer:innenerlebnis des Headsets vertraut vorkommen. „Wenn sie das Headset aufsetzen, ist die Hauptschnittstelle fast identisch mit der des iPhones und des iPads, mit einem Startbildschirm mit einem Raster von Symbolen, die neu organisiert werden können“, schreibt Gurman. Nutzer:innen könnten wie beim iPhone auch Widgets wie Wetter, Kalendertermine, E‑Mails und Börsenkurse zwischen ihren App-Symbolen anheften.
Neben der erwähnten Gestensteuerung sei es auch möglich, Text per Siri zu diktieren oder auf eine iPhone-, Mac- oder iPad-Tastatur zurückzugreifen – die per „Passthrough-Modus“ angesehen werden kann.
Reality Pro: Apples Headset soll unabhängig vom iPhone funktionieren
Im Unterschied zur Apple Watch sei ein iPhone für den Betrieb des Headsets nicht erforderlich. Apple entwickle eine Technologie, mit der Nutzer:innen in der Luft mit ihren Händen tippen können, es sei indes unwahrscheinlich, dass eine solche Funktion zur Markteinführung bereit sein wird, meint Gurman.
Als Recheneinheit des Reality-Pro-Headsets werde Apple auf eine Variante des M2-Chips setzen, der auch in aktuellen Macs des Unternehmens verbaut wird. Zudem soll ein spezieller Prozessor für Grafiken und Mixed-Reality-Erlebnisse dem M2-Chip ergänzend zur Seite stehen. Dieser zweite Chip soll den Namen Reality-Processor tragen, wie aus eingereichten Markenanträgen hervorgehe.
Um Hitzeproblemen vorzubeugen, hat Apple den Akku, nicht, wie offenbar zuvor geplant, im Headset, sondern in einem externen Paket untergebracht. Dieser werde an der Hüfte des:der Benutzer:in befestigt und über ein Kabel angeschlossen.
Der Akkupack habe in etwa die Größe von zwei übereinandergestapelten iPhone 14 Pro Max (Test). Ein Lüfter soll zur Kühlung beitragen, heißt es. Was die Akkulaufzeit angeht, sollten etwa zwei Stunden pro Akkupack möglich sein, was in etwa auf dem Niveau der Mitbewerber liege. Für das Anschauen von Filmen in der virtuellen Welt könnte die Laufzeit unter Umständen zu kurz bemessen sein.
Reality Pro soll aus Alu und Glas bestehen
Im Unterschied zu den VR-Headsets der Mitbewerber soll Apple nicht auf Kunststoff, sondern höherwertige Materialien wie Aluminium, Glas sowie Polster bestehen. Es soll dabei an die Edelkopfhörer Airpods Max erinnern, heißt. Das Produkt werde einen gebogenen Bildschirm auf der Vorderseite besitzen, der die Augen des Trägers oder der Trägerin nach außen zeigen könne. Ferner verfüge es über Lautsprecher an den Seiten und ein Kopfband, um das Gerät an den Kopf anpassen zu können.
Mit dem ersten MR-Headset scheint Apple zunächst nicht in den Massenmarkt vordringen zu wollen: Es heißt, es werde um die 3.000 US-Dollar kosten. Erst 2024 könnte ein halb so teures Modell auf den Markt kommen, das dann auf dem Preisniveau eines Meta Quest Pro oder HTC Vive XR Elite von etwa 1.500 US-Dollar landen dürfte.
Angesichts des hohen Preises rechnet Apple laut dem Bloomberg-Bericht damit, im ersten Jahr etwa eine Million Headsets zu verkaufen. Angesichts dessen, dass die Absätze von Produkten des Herstellers oft im mehrstelligen Millionenbereich liegen, dürften diese Prognosen ein Eingeständnis sein, dass das erste Headset für viele Kund:innen unerschwinglich sein wird.