Eines gleich vorweg: Ich bin weder Elon-Musk-Fan noch -Hater. Viele Sachen feiere ich an ihm – wie die die Bereitstellung von Starlink für die Ukrainerinnen und Ukrainer binnen Stunden –, andere Sachen finde ich problematisch – wie den angekündigten Support von Donald Trump. Es ist wichtig, das jetzt direkt zu schreiben, denn im Netz wird über Meinungen zu seiner Person ähnlich heftig gestritten wie über Lastenfahrräder oder Kohleausstieg. Elon Musk tut auch viel dafür, die Gemüter so zu erregen. So auch bei seinem neuesten Move. Elon dreht mal wieder auf. Am gestrigen Mittwoch wurde bekannt, dass er ausnahmslos alle Mitarbeitenden von Tesla zurück ins Büro beordert. Sonst: Kündigung!
Ich will eigentlich gar nicht groß über Musk sprechen, sondern das Augenmerk auf seine Forderung legen. Das Argument der Tech-Ikone lautet: Zu Hause faulenzen die Menschen nur! Zumindest hat er das zunächst auf Twitter durchsickern lassen und etwas verzögert auch in einer E-Mail ans Team ganz deutlich ausformuliert. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Sicherlich gibt es Menschen, die im Office besser arbeiten können als im Homeoffice. Dieser Fakt ist geschenkt. Das verbuche ich mal als Binsenweisheit. Dass Menschen sich aber zu Hause per se auf die faule Haut legen und im Büro komplett abheben im Tagwerk, halte ich für totalen Quatsch.
Das Homeoffice macht Low Performer? Absurd!
Wer den Arbeitgebenden im Homeoffice verarscht, verarscht ihn auch im Büro. Es gibt immer Low und High Performer in einer Organisation und sowohl die einen als auch die anderen finden einen Weg, sich vor Arbeit zu drücken oder sie an sich zu reißen. Die Haltung, dass Menschen unter Kontrolle am besten laufen, ist ein ganz großer Trugschluss. Anstatt sie ins Büro unter Ankündigung einer Kündigung zu ordern, wäre es meines Erachtens hilfreicher, sie zunächst von der Mission des Unternehmens zu überzeugen und gleichzeitig gemeinsam an Zielen zu arbeiten. Wenn das Ziel überzeugend und bekannt ist, finden die Menschen auch motiviert den Weg dahin – egal, an welchem Ort sie sich befinden.
Elon Musk begibt sich mit seinem Vorstoß auf dünnes Eis. Denn er setzt Misstrauen über Vertrauen. Für viele Arbeitnehmende ist das ein No-go! Ganz ehrlich: Wenn ich das Gefühl hätte, meine Vorgesetzten würden mir nicht über den Weg trauen, obwohl ich Leistung bringe, würde ich sie woanders einsetzen. Dass viele Menschen so wie ich denken, zeigte sich jüngst auch an Apple. Dort ging das Management-Board nicht ganz so rabiat vor, jedoch haben auch die Führungskräfte in Übersee über die Köpfe der Menschen hinweg beschlossen, wann und wie sie künftig zu arbeiten haben – hybrid, an einigen ganz konkreten Tagen in der Woche. Das Ergebnis: Unmut und Kündigungen!
Möchte man das als Unternehmende? Ich denke nicht. Mein Rat: Lasst die Teams doch untereinander selbst entscheiden. Es gibt Aufgaben, die sich im Büro besser erledigen lassen, und es gibt Aufgaben, die allein und in Ruhe daheim gut abgearbeitet werden können. Diese Friss-oder-stirb-Mentalität, die gerade an vielen Stellen bezüglich der Frage sichtbar wird, ob Homeoffice oder Office installiert wird, halte ich für komplett am Thema vorbei. Die Aufgabe von Führungskräften ist es, die Leute so zu stärken, dass sie die beste Leistung aus sich herausholen können. Das eine oder das andere zu verbieten, bedeutet immer, dass die eine oder andere Fraktion nur Mindestleistung bringt.
Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit!
Ich weiß, dass es für viele Führungskräfte kein leichtes Unterfangen ist, loszulassen. Seit fast 300 Jahren dreht sich der Großteil der Lektionen aus der Arbeitswelt, um Lehren aus dem Industriezeitalter. Motivation passiert durch äußere Anreize, wie Belohnungen in Form von Geld, heißt es. Wenn du die Leute bezahlst, machen sie alles. Andere reagieren mit Bestrafungen, auch in Form von beispielsweise keinem Geld. Wer nicht alles macht, was gefordert wird, bekommt auch nicht mehr. Oder kann gleich gehen. Aber Motivation funktioniert intrinsisch stärker. Sie entsteht, wenn drei angeborene psychologische Grundbedürfnisse befriedigt sind: Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit.
Kompetenz bedeutet, dass wir uns fähig fühlen und deshalb dazulernen möchten. Autonomie bedeutet, dass wir selbständig Entscheidungen treffen und für die Konsequenzen verantwortlich sein möchten. Zugehörigkeit heißt nichts anderes, als dass wir uns mit einer Gruppe oder einer Sache verbunden fühlen möchten. Ein Unternehmen, das auf die Bedürfnisse von Mitarbeitenden pfeift, kann keine intrinsische Motivation erwarten. Dienst nach Vorschrift wird dort gemacht. Wer schon einmal in den Modus, nur das Nötigste zu machen, und sich ansonsten auf das Wochenende zu freuen, geraten ist, weiß, dass das der erste Schritt in viele Jahre der Unzufriedenheit ist.
Mein Credo: Versteht das Büro und das Homeoffice als Tools, so wie ein Meeting-Raum oder ein E-Mail-Programm. Setzt Regeln im Unternehmen auf, wann das eine oder das andere sich im Arbeitsalltag lohnt. Kommuniziert diese Leitplanken ausnahmslos an alle, sodass es nicht zu Unstimmigkeiten kommt. Unstimmigkeiten schaffen Frust. Frust schafft Misstrauen. Misstrauen heißt, dass jegliche Flexibilisierung ein jähes Ende finden wird. Die Organisationstrukturen anzupassen, damit die Team-Mitglieder aus dem Besten beider Welten wählen können, ist der Schlüssel zum Erfolg neuer Arbeit. Das und Vertrauen, Vertrauen und nochmal Vertrauen. Elon Musk scheint das nicht zu wissen.
Oder er schert sich nicht darum!