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MIT Technology Review Feature

Palmer Luckey: Der Oculus-Gründer bringt Mixed Reality ins US-Verteidigungsministerium

Von der virtuellen Realität zur digitalen Waffentechnik: Der Chef von Anduril Industries will das Pentagon modernisieren. Dabei trifft er allerdings auch auf Widerstand aus der Truppe.

Von MIT Technology Review Online
12 Min.
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Palmer Luckey mit einem Anti-Drohnen-System (Bild: PHILIP CHEUNG)

Für Palmer Luckey hat sich in gewisser Weise der Kreis geschlossen. Seine ersten Erfahrungen mit Virtual-Reality-Headsets machte er als jugendlicher Labortechniker in einem Forschungszentrum des Verteidigungsministeriums in Südkalifornien, wo er das Potenzial virtueller Welten zur Eindämmung von PTBS-Symptomen (Posttraumatische Belastungsstörung) bei Kriegsveteranen untersuchte. Dann baute er Oculus auf, verkaufte den VR-Headset-Hersteller für zwei Milliarden US-Dollar an Facebook (heute Meta), verließ Meta nach einem öffentlichkeitswirksamen Rauswurf und gründete Anduril, das sich auf Drohnen, Marschflugkörper und andere KI-gestützte Technologien für das US-Verteidigungsministerium konzentriert. Der Unternehmenswert wird mittlerweile auf 14 Milliarden US-Dollar geschätzt.

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Nun lenkt Luckey seine Energie wieder auf Headsets für das Militär. Im September kündigte Anduril eine Partnerschaft mit Microsoft für das neue Integrated Visual Augmentation System (IVAS) der US-Army an, die bislang wohl größte Anstrengung des amerikanischen Militärs zur Entwicklung eines Headsets für den Einsatz auf dem Schlachtfeld. Luckey sagt, dass das IVAS-Projekt seine höchste Priorität bei Anduril hat.

Luckeys neuester Coup: Headsets für Soldat:innen

„Innerhalb kürzester Zeit wird jeder/jede Soldat:in ein Heads-up-Display tragen“, sagte er letzte Woche im Interview mit MIT Technology Review über seine Arbeit an der IVAS-Brille. „Die Dinge, die wir bauen, werden ein großer Teil davon sein.“ Obwohl nur wenige Beobachter gegen Luckeys Expertise im Bereich der Mixed Reality wetten würden, teilen nicht viele seinen Optimismus für das IVAS-Programm. Sie sehen es bisher eher als eine Lawine von Misserfolgen.

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IVAS wurde erstmals 2018 als Versuch gestartet, hochmoderne Mixed-Reality-Headsets für Soldat:innen zu entwickeln. Im März 2021 erhielt Microsoft den Auftrag, das Projekt über einen Zeitraum von zehn Jahren mit fast 22 Milliarden Dollar Budget zu leiten, aber es kam schnell zu Verzögerungen. Nur ein Jahr später kritisierte ein Pentagon-Audit das Programm, weil die Behörde die Headsets nicht ordnungsgemäß getestet hatte. Es hieß, die Entscheidungen des Pentagons „könnten dazu führen, dass bis zu 21,88 Milliarden Dollar an Steuergeldern verschwendet werden, um ein System einzusetzen, das die Soldat:innen möglicherweise nicht nutzen wollen oder nicht wie vorgesehen verwenden“. Die ersten beiden Varianten der Brillen, von denen die Armee 10.000 Stück erworben hat, verursachten bei den Trägern Übelkeit, Nackenschmerzen und eine Überanstrengung der Augen, wie aus internen Dokumenten hervorgeht, die der Finanznachrichtenagentur Bloomberg vorliegen.

Wie ein Bienenvolk in der Brille

Solche Berichte haben dazu geführt, dass IVAS mittlerweile von den Mitgliedern des Senatsausschusses für Streitkräfte, der mit darüber entscheidet, wie viel Geld für das Programm ausgegeben werden soll, an der kurzen Leine gehalten wird. In einer Unterausschusssitzung im Mai äußerte Senator Tom Cotton, Republikaner aus Arkansas und ranghöchstes Mitglied, seine Frustration über das langsame Tempo und die hohen Kosten von IVAS. Im Juli schlug der Ausschuss dann gar eine Kürzung des Programms um immerhin 200 Millionen Dollar vor.

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In der Zwischenzeit hat Microsoft die Investitionen in sein HoloLens-Headset – die Hardware, auf der das IVAS-Programm aufbaute – wegen mangelnder wirtschaftlicher Akzeptanz weiter gekürzt. Im Juni kündigte Microsoft dann Entlassungen bei seinen HoloLens-Teams an und deutete damit an, dass sich das Projekt jetzt ausschließlich auf die Arbeit für das Verteidigungsministerium konzentriert. Im August erhielt das Vorhaben dann einen weiteren schweren Schlag, als Berichte auftauchten, dass die Armee erwägt, den Vertrag gar neu auszuschreiben, um Microsoft ganz aus IVAS zu nehmen.

Das wäre die Katastrophe, mit der sich Luckey jetzt beschäftigen muss. Andurils Beitrag zu dem Projekt soll Lattice sein, ein KI-gestütztes System, das von Drohnen bis hin zu Radarstörsendern allerlei Militärtechnik miteinander verbindet, um Objekte zu überwachen, Probleme zu erkennen und bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Lattice entwickelt sich immer mehr zum Flaggschiff von Anduril. Es ist ein Werkzeug, mit dem Soldaten ohne Verzögerung Informationen nicht nur von Anduril-Hardware, sondern auch von Radargeräten, Fahrzeugen, Sensoren und anderen Geräten, die nicht von Anduril selbst stammen, beziehen können. Jetzt wird es in die IVAS-Brille eingebaut. „Es ist nicht ganz ein Hive Mind, aber es ist sicherlich ein Hive-Auge“, beschreibt Luckey das – wie ein Bienenvolk, das alles im Griff behält.

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Das von Lattice untermauerte IVAS-Programm zielt darauf ab, ein Headset zu entwickeln, das Soldaten dabei helfen kann, „potenzielle Bedrohungen schnell zu erkennen und entscheidende Maßnahmen dagegen“ auf dem Schlachtfeld zu ergreifen, wie die US-Armee mitteilt. Wenn das Gerät gut konzipiert ist, wird es automatisch unzählige Informationen – Drohnenstandorte, Fahrzeuge, Geheimdienstinformationen – sortieren und dem Träger die wichtigsten davon in Echtzeit anzeigen.

Auf Leben und Tod statt gegen Smartphones

Luckey sieht in den Stolpersteinen für das IVAS-Programm genau das, was man bei der Entwicklung von Mixed Reality für die Verteidigung erwarten würde. „Keines dieser Probleme ist etwas, das ich als unüberwindbar ansehen würde“, sagt er. Es sei nur eine Frage, ob es noch in diesem Jahr oder erst in ein paar Jahren so weit sein wird. Ein Produkt zu verzögern, statt ein minderwertiges Produkt herauszubringen, sei immer besser. Dabei zitiert er Shigeru Miyamoto, den Game Director von Nintendo: „Ein verspätetes Spiel ist nur für ein einziges Mal verspätet, aber ein schlechtes Spiel ist für immer schlecht.“

Der VR-Pionier ist zunehmend davon überzeugt, dass nicht die Verbraucher, sondern das Militär das wichtigste Testfeld für Mixed-Reality-Hardware sein wird: „Sie werden ein AR-Headset bei jedem Soldaten sehen, lange bevor Sie es bei den Zivilisten sehen.“ In der Welt der Verbraucher konkurriert jedes Headset-Unternehmen mit der Simplizität und Allgegenwart des Smartphones. Im Verteidigungsbereich sieht das anders aus.

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„Die Vorteile sind ganz andere, wenn es um Leben-oder-Tod-Szenarien geht. Sie müssen sich keine Gedanken machen Dinge wie den Look des Geräts oder dass es etwas schwerer ist als sie gerne hätten.“ Denn die Alternative sei, getötet zu werden oder bei der Mission zu scheitern. „Das ist viel weniger wünschenswert.“

Die Verantwortlichen des IVAS-Programms sind fest davon überzeugt, dass es sich für die Soldaten auf dem Schlachtfeld auszahlen wird. „Wenn es funktioniert“, so James Rainey, kommandierender General des Army Futures Command, im Mai vor dem Armed Services Committee, „ist es ein legitimes zehnfaches Upgrade für unsere wichtigsten Truppenformationen“. Das ist allerdings ein großes „Wenn“ und hängt derzeit von Microsofts Fähigkeit ab, zu liefern. Auf die Frage, ob Anduril sich als Hauptauftragnehmer für IVAS bewirbt, wenn sich die Gelegenheit ergibt, ging Luckey nicht näher ein.

Testfeld Militär, dann folgt der Massenmarkt

Wenn das passiert, könnten die US-Truppen, ob sie wollen oder nicht, zu den wichtigsten Testpersonen für die Technologie der erweiterten und virtuellen Realität werden, die in den nächsten Jahrzehnten entwickelt wird. Der kommerzielle Sektor verfügt nicht über Tausende von Personen innerhalb einer einzigen Institution, die Hardware in körperlich und geistig anspruchsvollen Situationen testen und ihr Feedback zu deren Verbesserung geben können.

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Das ist einer der Gründe, warum sich der Absatz an den Verteidigungssektor stark vom Verkauf an den Verbraucher unterscheidet, sagt Luckey. „Sie müssen nicht jeden einzelnen Soldaten davon überzeugen, dass er es persönlich benutzen möchte. Sie müssen die Leute, die für ihn zuständig sind, seinen kommandierenden Offizier und die Personen, die für diesen verantwortlich sind, davon überzeugen, dass das eine Sache ist, die es wert ist, von der Truppe getragen zu werden.“ Die Iterationen, die IVAS schließlich hervorbringt, könnten dann zeigen, was als Nächstes auf dem kommerziellen Markt kommt.

Gefragt, ob Luckey Lektionen von Oculus mitgebracht hat, die er bei der Arbeit mit dem Verteidigungsministerium erst verlernen musste, sagte er, dass es eine gibt: die Sorge um das Budget. „Ich war jahrelang stolz darauf, dass ich derjenige war, der herausgefunden hat, wie man VR für die Massen zugänglich machen kann, indem ich bei jedem Teil des Designprozesses absolut brutal war und versucht habe, die Kosten zu senken.“ Das sei nicht das, was das Verteidigungsministerium will. „Die wollen nicht das billigste Headset. Sie wollen zwar Geld sparen, aber im Allgemeinen ist es die paar Hundert Dollar mehr wert, wenn man etwas mehr Geld für ein Headset ausgibt, das haltbarer ist oder Soldaten eine bessere Sicht bietet.“ Denn dann sei auch die Mission schneller beendet.

Auf die Frage, ob er von den Fortschritten beeindruckt ist, die während seiner achtjährigen Auszeit im Bereich der Mixed Reality gemacht wurden, fällt seine Aussage gemischt aus. Seit er Facebook/Meta 2017 verlassen hat, haben sich Apple, Magic Leap, Meta selbst, Snap und eine ganze Reihe von Startups daran gemacht, die Technologie in den Mainstream zu bringen. „Bei der Mixed Reality geht es immer noch um Kompromisse“, sagt er. Hätten Sie gerne mehr Rechenleistung oder ein leichteres und bequemeres Headset?

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Es hätte schneller gehen können mit der Mixed Reality

Mit mehr Zeit bei Meta „hätte ich andere Kompromisse gemacht, die meiner Meinung nach zu einer größeren Akzeptanz geführt hätten“, sagt er. „Aber natürlich denkt so etwas jeder.“ Er ist zwar beeindruckt von den Fortschritten etwa bei der Meta Quest, aber „als Insider habe ich auch das Gefühl, dass es noch schneller gehen könnte“.

Auch Jahre nach seinem Ausscheiden ärgert sich Luckey immer noch über eine bestimmte Entscheidung, die Meta seiner Meinung nach falsch getroffen hat: die Batterie nicht auszulagern. Es ist nicht verwunderlich, dass jemand, der seine prägenden Jahre in einem Wohnwagen in der Einfahrt seiner Eltern verbrachte, in obskuren Foren postete und von Headset-Prototypen besessen war, sich über technische Details auslässt. Er schwärmte von den Vorteilen, die es mit sich bringt, die schweren Batterien und Chips in herausnehmbare Pucks zu verpacken, die Benutzer:innen in eine Tasche stecken können, anstatt sie im Headset selbst mit sich herumzutragen. Auf diese Weise wird das Headset leichter und bequemer. Er sagt, dass er Meta dazu gedrängt hat, diesen Weg zu gehen, bevor er gegangen wurde, aber als er ging, wurde die Idee aufgegeben. Apple hat sich bei seiner Vision Pro für einen externen Akku entschieden, was Luckey lobte, auch wenn es Nutzer:innen bemängeln. „Wie auch immer“, sagte er mir. „Ich bin acht Jahre später immer noch sauer darüber.“

Apropos Schmerz: Luckeys öffentlichste berufliche Wunde, sein Rauswurf bei Facebook im Jahr 2017, wurde letzten Monat zumindest teilweise geheilt. Die Geschichte, die zahllose Twitter-Threads, Doxxing-Maßnahmen, Dementi und Korrekturen von Nachrichtenartikeln, von Anwälten unterdrückte Aussagen und einen wichtigen Abschnitt in Blake Harris‘ 2020 erschienenem Buch The History of the Future umfasst, lässt sich nur schwer zusammenbringen. Aber hier ist die Kurzversion: Eine Spende von Luckey an eine Pro-Trump-Gruppe namens Nimble America Ende 2016 führte zu Unruhen innerhalb von Facebook, nachdem Daily Beast darüber berichtet hatte. Dieser Ärger nahm zu, insbesondere nachdem Ars Technica schrieb, dass seine Spende angeblich rassistische Memes finanzierte (die Gründer von Nimble America waren am umstrittenen Subreddit r/TheDonald beteiligt, aber die Organisation selbst konzentrierte sich auf die Erstellung von Pro-Trump-Plakaten.) Luckey verließ das Unternehmen dann im März 2017, aber Meta hat selbst nie bekannt gegeben, warum.

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Im April dieses Jahres schrieb der ehemalige CTO von Oculus, John Carmack, auf X, dass er es bedauere, Luckey nicht stärker unterstützt zu haben. Der CTO von Meta, Andrew Bosworth, widersprach Carmack und stellte sich weitgehend auf die Seite von Meta. Daraufhin sagte Luckey: „Die haben öffentlich gesagt, dass mein Weggang nichts mit Politik zu tun hatte, was absolut verrückt ist und offensichtlich durch unzählige interne Mitteilungen widerlegt wird.“ Die beiden stritten sich öffentlich. In der Auseinandersetzung auf X warnte Bosworth, dass es „Grenzen für das gibt, was hier gesagt werden kann“, woraufhin Luckey antwortete: „Ich bin bereit, alles offen zu legen. Wir können alles öffentlich machen und die Leute selbst urteilen lassen. Sag‘ es einfach.“

Entschuldigung vom Meta-Technikchef

Sechs Monate später entschuldigte sich Bosworth schließlich bei Luckey für seine Worte. Luckey antwortete und schrieb, dass er zwar „berühmt-berüchtigt gut darin ist, Groll zu pflegen“, aber weder Bosworth noch die derzeitige Führung von Meta in den Vorfall verwickelt sei. Inzwischen hat Luckey Jahre damit verbracht, darüber nachzudenken, wie viel von seinem verbleibenden Zorn irrational oder unangebracht war, aber eines, sagt er, sei klar. Seine Wut richtet sich gegen die Leute hinter den Kulissen – PR-Menschen, Anwälte, Reporter –, die aus seiner Sicht eine Situation geschaffen haben, die ihn dazu zwang, eine Situation zu akzeptieren und darauf zu reagieren, die er für völlig falsch hielt. Er ist wütend über die Schritte, die Facebook unternommen hat, um ihn daran zu hindern, seine Seite der Sache zu schildern. So durfte er damals keine Erklärung schreiben, weil Facebook keine weitere Eskalation wollte. „Worüber bin ich eigentlich wütend? Bin ich wütend, dass sich mein Leben in diese Richtung entwickelt hat? Auf jeden Fall“, sagt er.

Er sei viel wütender auf die Leute, die auf eine Art und Weise gelogen haben, die sein ganzes Leben ruiniert habe – und sein eigenes Unternehmen, Oculus. Das habe man ihm entrissen. „Ich habe also noch viel Ärger übrig, aber der richtet sich nicht gegen Meta, das Unternehmen. Es geht nicht gegen [Mark Zuckerberg]. Es geht nicht gegen Boz. Das sind nicht die Leute, die mir Unrecht getan haben.“

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Während verschiedene Unterausschüsse im Senat und im Repräsentantenhaus darüber beraten, wie viele Millionen jährlich für IVAS ausgegeben werden sollen, ist schon klar, dass das Pentagon investieren muss, um sich auf einen möglichen Konflikt im Pazifik zwischen China und Taiwan vorzubereiten. Das Verteidigungsministerium hat in seinem letzten Haushalt fast zehn Milliarden Dollar für die sogenannte Pacific Deterrence Initiative beantragt. Die Aussicht auf einen solchen Konflikt ist etwas, über das Luckey oft nachdenkt.

Er erzählte den Autoren des Buches „Unit X: How the Pentagon and Silicon Valley Are Transforming the Future of War“, dass Andurils „gesamter interner Fahrplan“ auf die Frage ausgerichtet sei, wie man China abschrecken könne. „Und zwar nicht nur in Taiwan, sondern in Taiwan und darüber hinaus.“

System kann Fehler machen und zu Toten führen

Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts an IVAS speziell auf den Einsatz im Südpazifik ausgerichtet. Die Technik befindet sich noch immer in einem frühen Stadium. Laut den Protokollen einer Sitzung des zuständigen Unterausschusses des Senats im Mai sollte das Militär die dritte Iteration der IVAS-Brille Anfang dieses Sommers erhalten. Wenn die Macher im Zeitplan lagen, befinden sie sich derzeit in der Testphase. Diese Version wird sich wahrscheinlich noch dramatisch verändern, bevor sie sich Luckeys Vision von der Zukunft der Mixed-Reality-Kriegsführung annähert, in der „Sie eine Art KI-Schutzengel auf Ihrer Schulter haben, der Ihnen hilft und all die Dinge erledigt, die man im Kampf leicht übersieht“.

Aber werden die Soldaten jemals einem solchen „Schutzengel“ vertrauen? Wenn sich die Headsets der Zukunft auf KI-gestützte Software wie Lattice stützen, um Bedrohungen zu erkennen – zum Beispiel eine feindliche Drohne voraus oder ein autonomes Fahrzeug, das auf einen zurast –, muss das auch funktionieren. Das System muss Fehltreffer aussortieren, Bedrohungen mit tadelloser Genauigkeit erkennen und wichtige Informationen nach vorn bringen, wenn es darauf ankommt.

Luckey sagt, dass der eigentliche Test darin besteht, wie die Technologie im Vergleich zu den derzeitigen Fähigkeiten des Menschen abschneiden wird. „In vielen Fällen ist sie bereits jetzt besser“, sagt er und bezieht sich dabei auf die internen Tests von Anduril (diese wurden nicht veröffentlicht und auch nicht von unabhängigen externen Experten bewertet). „Menschen sind in einer Weise fehlbar, die Maschinen nicht unbedingt sind“, fügt er hinzu. Dennoch gibt Luckey zu, dass er sich Sorgen über Bedrohungen macht, die Lattice übersehen könnte.

„Eines der Dinge, die mich wirklich beunruhigen, ist, dass es Menschen geben wird, die sterben, weil Lattice etwas missverstanden oder eine Bedrohung für einen Soldaten übersehen hat, die es hätte erkennen müssen“, sagt er. „Gleichzeitig ist mir klar, dass es immer noch weitaus besser ist als das, was die Menschen heute tun.“

Ist Transparenz die Lösung?

Doch wenn Lattice einen schwerwiegenden Fehler macht, ist es unwahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Auf die Frage nach dem Gleichgewicht zwischen Transparenz und nationaler Sicherheit bei der Offenlegung solcher Probleme sagte Luckey, dass der Kunde von Anduril, eben das Pentagon, jedoch vollständige Informationen darüber erhalten wird, was schiefgelaufen ist.

Dies steht im Einklang mit den Richtlinien des Ministeriums zum verantwortungsvollen Einsatz von KI, die verlangen, dass KI-gesteuerte Systeme „mit Methoden, Datenquellen, Designverfahren und Dokumentationen entwickelt werden, die für das zuständige Verteidigungspersonal transparent und überprüfbar sind“. Die Öffentlichkeit bleibt jedoch außen vor.

Das hat einige progressive Think Tanks, wie das Brennan Center for Justice, dazu veranlasst, die Bundesbehörden aufzufordern, die Bemühungen um öffentliche Transparenz im Zeitalter der KI zu modernisieren. Es sei leicht zu sagen: „Nun, sollten Sie nicht ehrlich sein, wenn Ihr System etwas nicht erkennt?“ sagt Luckey mit Blick auf die Verpflichtungen von Anduril.

„Aber was wäre, wenn der Fehler darin besteht, dass die Chinesen eine Lücke im System gefunden haben und diese ausnutzen, um unsere Verteidigung einer Militärbasis zu umgehen?“ Das würde der Öffentlichkeit nicht viel nützen, sagt er. „Wir können ja nicht sagen, es gibt einen Weg, die Sicherheitsvorkehrungen auf allen US-Militärbasen weltweit zu umgehen.“ Dann, so Luckey, wäre Transparenz wohl das Schlimmste.

Dieser Artikel stammt von James O’Donnell. Er ist Redakteur bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review. O’Donnell schreibt regelmäßig über Hardware-, aber auch KI-Themen.
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