Nach der Hiobsbotschaft im Januar, derzufolge Vanmoof Ende 2022 kurz vor dem Kollaps stand und das Ende nur durch eine Finanzierungsrunde abgewendet werden konnte, deuten sich nun strategische Umstrukturierungen an. Das Ziel ist klar: Vanmoof muss mit seinen Fahrrädern Geld verdienen.
Entsprechend dreht das Amsterdamer Unternehmen massiv am Preis: Ab Mai 2023 werden die aktuellen E-Bike-Modelle S5 und A5 jeweils 500 Euro mehr kosten, wie Vanmoof seinen Newsletter-Abonennt:innen mitteilte. Auch in weiteren Bereichen deuten sich Änderungen an.
Schnelles Wachstum hinterlässt Spuren
Mit dem Vanmoof S3 (Test) und X3 hatte der E-Bike-Hersteller 2020 Modelle für knapp unter 2.000 Euro auf den Markt gebracht. Den Vorgänger, das S2, hatte der Hersteller noch zu einem Preis von weit über 3.000 Euro angeboten, was nahelegte, dass Vanmoof durch den verhältnismäßig stark gedrückten Preis der S3- und X3-Modelle auf massives Wachstum setzen wollte.
Das Vorhaben war allem Anschein nach trotz des E-Bike-Booms während der Corona-Pandemie aufgrund von Lieferengpässen, hohen Rohstoff- und Chippreisen schwer erreichbar. Denn durch die steigenden Komponentenpreise sah Vanmoof sich dazu gezwungen, die Preise sukzessive um 500 Euro zu erhöhen.
Vanmoof Ende 2022 wohl kurz vor dem Aus
Einem weiteren Bericht von Anfang 2023 zufolge hat der Hersteller zudem mit Qualitätsproblemen der E-Bikes zu kämpfen: Nach Angaben der FD beliefen sich die Kosten für die Reparatur oder den Austausch von Vanmoofs E-Bikes der 3er-Serie im Rahmen der Garantie allein im Jahr 2021 auf acht Millionen Euro.
Mit dem (verzögerten) Start des Vanmoof S5 und A5 hat der Hersteller einige der Probleme der Vorgänger wie etwa die Gangschaltung behoben. Beim S3/A3 setzte Vanmoof auf eine Viergangschaltung, die bisweilen beim Schalten vom dritten in den vierten Gang massiv Probleme machte. Die neuen Modelle haben nur drei Gänge und rattern nach ersten Eindrücken nicht beim Schalten.
Die neuen Modelle wurde preislich von Anfang an höher als die Vorgänger eingestuft: Zur Ankündigung im April 2022 nannte der Hersteller einen Preis von knapp 2.500 Euro, der auch während unserer ersten Probefahrt noch gültig war. Mittlerweile beläuft sich der Kaufpreis auf knapp 3.000 Euro, der ab Mai auf 3.500 Euro steigen wird.
Auf Nachfrage erkläre uns Vanmoof-Sprecherin Sofia Gerung: „Die Preise für unsere Fahrräder zu erhöhen, ist das Letzte, was wir tun wollen. Die aktuelle Wirtschaftslage, hohe Inflationsraten und steigende Materialkosten bedeuten, dass eine Erhöhung von 500 Euro die einzige Möglichkeit ist, unsere Verpflichtung einzuhalten, das bestmögliche Stadt-E-Bike für unsere Fahrer:innen anzubieten.“
Neben dem saftigen Preissprung der E-Bikes verändert Vanmoof zudem seine Services: Laut Gerung wird das Partnerwerkstättennetzwerk massiv ausgebaut. Auch das bestehende Netzwerk zertifizierter Werkstätten in Städten weltweit soll erweitert werden, „um Fahrer:innen in Zukunft effektiver bedienen zu können“. „Durch den Ausbau zertifizierter Partnerwerkstätten erhöhen wir das verfügbare Servicepersonal drastisch und verkürzen Servicewartezeiten.“
Während das Partnernetzwerk ausgebaut werden soll, plant Vanmoof einige der eigenen Service-Hubs einzustampfen und dort auf Partner zu setzen. „Die meisten Hubs bleiben wie gewohnt“, so Gerung.
„Wir bauen den Service weiter aus und investieren hier in smartes, nachhaltiges Wachstum.“
Diese Entscheidung sei „das Ergebnis einer Strategieänderung mit dem Ziel, [Vanmoof-Fahrer:innen] bestmöglich zu bedienen“. Auf unsere Frage, ob Vanmoofs neue Strategie einer Konsolidierung entspricht, widersprach Gerung: „Wir bauen den Service weiter aus und investieren hier in smartes, nachhaltiges Wachstum. Konsolidierung beschreibt ja eher das Stagnieren eines Prozesses und davon ist nicht die Rede, sondern eine Strategieänderung.“
Näheres zu Städten und Größe des Service-Ausbaus will Vanmoof in einigen Wochen erläutern.
After Sales wurde bisher vernachlässigt
Gerade der Ausbau des Service-Netzwerks ist wichtig, um die Kund:innen bei der Stange zu halten und nach dem Kauf nicht fallen zu lassen. Denn Vanmoof verkauft den Großteil seiner E-Bikes direkt über seinen Onlinestore und nicht, wie andere klassische Fahrradhersteller, über lokale Fahrradläden, die zugleich als Anlaufstelle bei Defekten und Reparaturen dienen. Fremde Marken, vor allem mit speziell angefertigten Komponenten und Software, werden nicht selten abgelehnt.
Mit der anstehenden Fahrradsaison und den höheren Preisen hofft Vanmoof, in ein „solides Jahr“ (via Spiegel) zu starten. 2023 will das Management laut Geschäftsbericht einen Weg in Richtung Profitabilität einschlagen.
Einige der Probleme von Vanmoof sind womöglich hausgemacht, aber auch andere Unternehmen im Mikromobilitäts-Sektor haben in der Pandemie massiv gelitten. Viele Hersteller konnte ihre angekündigten Produkte wie etwa das Cowboy 4 (Test) oder das Ampler Axel (Test) erst Monate verspätet auf den Markt bringen, was massive Umsatzeinbußen mit sich brachte.