Wichtige Kommunikationsregeln für Work from Anywhere: „Das hätten wir viel früher machen sollen“
Du arbeitest, wo du willst: Nachdem die Corona-Pandemie vor einigen Jahren für einen unfreiwilligen Homeoffice-Boom gesorgt hatte, haben viele Unternehmen die Möglichkeit zur Remote-Arbeit beibehalten. So auch der nordrheinwestfälische IT-Dienstleister Polyestate.
Während Konzerne wie SAP und Amazon ihre Mitarbeitenden jetzt aber doch wieder für Präsenztage ins Büro holen, können die 17 Mitarbeitenden bei Polyestate weiter ortsunabhängig und seit Kurzem in einer Vier-Tage-Woche arbeiten. Für den IT-Dienstleister ist das ein Weg, als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.
Wir haben bei den Unternehmensvorständen Markus Saxen und Matthias Opitz nachgefragt, was es aus ihrer Sicht braucht, damit „Work from Anywhere“ auch wirklich funktioniert.
Work from Anywhere: Das Teamlunch lockt trotzdem ins Büro
t3n: Ihr habt ja ein relativ großes Portfolio an New-Work-Maßnahmen, zuletzt ist die Vier-Tage-Woche eingezogen. Womit habt ihr angefangen?
Markus Saxen: Begonnen haben wir weit vor Corona mit sehr flexiblen Arbeitszeiten. Damals haben wir noch vor Ort im Büro gearbeitet, aber immerhin alle so, wie es ihnen gepasst hat. Das einzige, was dabei wichtig war, war, dass man sich im Laufe des Tages irgendwann sieht. Mit der Pandemie haben wir dann gelernt: Du musst nicht im Büro arbeiten, du kannst arbeiten, wo immer du willst. Dabei geht es nicht nur um Homeoffice, sondern zum Beispiel auch um Workation.
t3n: Was den Arbeitsort angeht, rudern mittlerweile ja viele große Player wie SAP oder Amazon zurück und beordern ihre Belegschaft zurück ins Büro. Wie steht ihr dazu?
Markus Saxen: Ich finde das sehr ungerecht. Die Mitarbeiter haben den Unternehmen damals im März, April 2020 einen unglaublichen Dienst erwiesen, indem sie mal eben aus dem Stand dafür gesorgt haben, dass nicht alles zusammenbricht. Jetzt zu sagen, „ich will euch trotzdem wieder alle hier“, finde ich ärgerlich.
t3n: Ein Büro gibt es aber auch bei euch noch. Hätten da denn alle aus dem Team Platz?
Matthias Opitz: Nein, das nicht mehr. Wir haben mit der Pandemie zunächst mehr Platz geschaffen. Pro Raum gab es nur noch zwei Arbeitsplätze, damit man in den Phasen, in denen die Präsenz unter Auflagen möglich war, ins Büro kommen konnte, wenn man das wollte. Das haben wir danach auch nicht mehr zurückgebaut, weil sich herausgestellt hat, dass manche Mitarbeiter so lange Anreisen haben, dass sie sagen: „Ich glaub, ich mag euch zwar, aber mir reicht es, wenn ich ab und zu ins Büro komme.“
Wenn jetzt alle gleichzeitig kommen würden, hätte nicht mehr jeder einen Platz – das ist bisher aber auch nie passiert. Wenn man ins Büro kommt, muss man vorher einen Arbeitsplatz buchen, und sieht dabei ja zum Beispiel auch schon, wie voll es an einem Tag ist.
t3n: Wie viele Menschen nutzen denn euer „Work from Anywhere“-Angebot und wie viele kommen noch ins Büro?
Markus Saxen: Das kommt ganz auf den Tag an. Wir haben zweimal in der Woche jemanden hier, der für das Team kocht – an den entsprechenden Tagen ist es dann auch gerne etwas voller. Für das gemeinsame Mittagessen muss man sich im Vorfeld anmelden, damit die Köchin auch weiß, welche Mengen sie braucht.
Voraussetzung fürs Remote-Arbeiten: Kommunikationsregeln und technisches Setup
t3n: Und wie stellt ihr sicher, dass eure Teams trotz unterschiedlicher Arbeitszeiten und -orte gut miteinander kommunizieren?
Matthias Opitz: Es gibt einige wöchentliche Meetings in bestimmten Konstellationen, aber die sind dann eben so belegt, dass sie weder besonders früh, noch besonders spät sind. Im Zuge der Vier-Tage-Woche, die wir vor Kurzem eingeführt haben, haben wir dann auch noch einmal versucht, die regelmäßigen Meetings stark zu verkürzen und zu reduzieren.
Durch die Corona-Pandemie sind die Kalender häufig sehr voll geworden, weil man plötzlich für alles, was man sonst mal eben im Büro geklärt hat oder wo es regelmäßige Abstimmung braucht, ein Meeting eingestellt hat. Irgendwann hatte man dann Tage, die immer mehr mit Meetings zugepflastert waren.
Bei der Umstellung auf eine Vier-Tage-Woche haben wir alle regelmäßig wiederkehrenden Meetings um die Hälfte verkürzt, also von 60 auf 30 oder von 30 auf 15 Minuten. Das heißt nicht, dass man sie bei Bedarf nicht auch wieder verlängern kann – aber die Blocker in unseren Kalendern sind viel weniger geworden. Meetings, bei denen wir immer wieder festgestellt haben, dass man nur kurz redet und sich dann wieder verabschiedet, haben wir erst einmal abgeschafft. Stattdessen hat jeder für sich feste Sprechzeiten, zu denen man für kurze Rücksprachen gut erreichbar ist, die restliche Zeit kann man dann umso konzentrierter arbeiten.
Insgesamt haben wir etwas strengere Kommunikationsregeln eingeführt, die aber das Ziel haben, dass man in seiner Arbeit weniger gestört wird. Wenn man etwas braucht, schaut man zunächst in den Kalender, und wenn nicht gerade Sprechzeit ist, kontaktiert man die andere Person erst einmal per Chat. Anrufe via Teams oder Telefon sind dann wirklich für den Notfall reserviert, weil sie einfach aus dem Fokus reißen.
Markus Saxen: Die Rückmeldungen, die wir zu diesem Konzept bekommen, sind sehr positiv. Wir hätten das viel eher machen sollen und können es nur weiterempfehlen.
t3n: Aber wie ist das denn, wenn zum Beispiel eine Information von jemandem braucht, ohne die man nicht weiterarbeiten kann?
Markus Saxen: Oft braucht man diese Information gar nicht sofort. Im Zweifel kann man aber natürlich trotzdem kurz per Chat anfragen, wie schnell sich der andere Zeit dafür nehmen kann.
t3n: Last, but not least: Welches technische Setup stellt ihr euren Mitarbeitenden für das „Work from Anywhere„-Konzept zur Verfügung?
Markus Saxen: Fürs Homeoffice gibt es das gleiche Setup wie im Büro: zwei Bildschirme und ein Laptop. Wer mobil arbeiten möchte, fragt beim ersten Mal eine extra dafür gepackte Equipment-Tasche an, die er danach weiter behalten kann. In diesem Rucksack ist dann zum Beispiel ein zweiter Monitor, der keinen zusätzlichen Stromanschluss braucht, Netzkabel, verschiedenste WLAN-Adaptoren und eben alles, was man unterwegs an Varianten mitbringen muss.