Elon Musk erzählt auf Clubhouse, was wir schon wussten – dann kommt Robinhood-Chef dazu
Am Montag um sieben Uhr morgens, in Los Angeles war es da 22:00 Uhr am Sonntagabend, hat sich Elon Musk im Clubhouse-Format „Good Time“ einigen Fragen gestellt. „Good Time“ widmet sich den Themen Startups, Risikokapital und Krypto und verfolgt den Anspruch, damit eher unbeschwert, man könnte auch sagen oberflächlich, umzugehen – ein Format zum unangestrengten Mithören eben.
Offenbar hatten sich weltweit viele Musk-Fans extra einen Wecker oder – je nach Zeitzone – eine andere Erinnerung gestellt, denn der Live-Chat war ruckzuck voll. Verschiedene Nutzer kamen recht schnell auf die Idee, den Audiostream etwa per Youtube live zu verteilen, sodass auch Personen ohne Clubhouse-Zugang oder -Zutritt Musks Aussagen verfolgen konnten – und auch nachträglich noch können.
„Leichtherziger Talk“ bleibt an der Oberfläche
Das Prinzip der Leichtherzigkeit setzten die Moderatoren dann allerdings so konsequent um, dass sich über die sozialen Medien schnell Kritik verbreitete. Eine verpasste Chance sei dieses Interview. Es würden nur Fragen gestellt, die bereits mehrfach zuvor gestellt worden seien. Entsprechend gebe es keine neuen Informationen.
Tatsächlich setzten die Good-Time-Moderatoren keine überraschenden Impulse und beschränkten sich auf solide Standardkost. Wer Musk noch nie zu den verschiedenen Themen gehört hatte, konnte entsprechend dennoch etwas für sich mitnehmen.
KI als Mensch-Maschine-Schnittstelle
Beim Thema Neuralink und künstliche Intelligenz wurde Musk ernster. Dabei habe Tesla das stärkere KI-Team, das Musk als eines der besten der Welt bezeichnete. Die beste Anwendung von KI sieht Musk in einer Kopplung von Mensch und Maschine.
Eine einfache Form dieser Mensch-Maschine-Kooperation sieht Musk in der omnipräsenten Smartphone-Nutzung. Das Problem dabei sei die Datentransfergeschwindigkeit, die durch schreibenden oder sprechenden Input stark limitiert sei. Eine direkte Verbindung zwischen Hirn und Maschine sei daher zu bevorzugen. Neue Experimente Neuralinks würden zeigen, wie Affen alleine über die Gedankensteuerung Computer-Games spielen. Dazu soll es in etwa einem Monat neue Videos geben.
Kindeserziehung und Gründermentalität
Auf die Frage, was Fünfjährigen heutzutage beigebracht werden sollte, antwortete Musk, man müsse die Möglichkeiten des Engagements nutzen, die etwa Videospiele böten, dürfe dabei aber nicht den Grund für den Einsatz der Technik vergessen. So müssten Kinder nicht nur das Wie erlernen, sondern auch das Warum verstehen. Werkzeuge müssten Werkzeuge bleiben und dürften nicht zum Selbstzweck werden, sollte das wohl bedeuten.
Warum sind nicht mehr Menschen wie Elon Musk? Die Antwort fiel Musk leicht: „Wenn du aufmunternde Worte brauchst, darfst du kein Startup gründen.“ Gefragt, ob er weitere Firmen gründen will, erläuterte er, mit SpaceX, Neuralink, Tesla und The Boring Company durchaus alle Hände voll zu tun zu haben.
Tesla will größter Autobauer der Welt werden
Apropos Tesla: Der US-Autobauer soll in Zukunft jährlich 20 Millionen Autos und Trucks herstellen. Das ist eine ambitionierte Zahl und würde Tesla unangefochten an Platz 1 der größten Autohersteller der Welt setzen. Dahinter kämen dann Toyota und Volkswagen mit jeweils rund zehn Millionen Fahrzeugen. Dabei sieht Musk das größte Entwicklungspotenzial im Bereich des autonomen Fahrens. Technologien wie Lidar würden die Fähigkeiten moderner Fahrzeuge deutlich über das Niveau menschlicher Fahrer heben.
Coronakrise und Impfkampagnen
In der Coronakrise hat auch Musk viel Fernarbeit über Tools wie Zoom und andere geleistet. Sein Fazit: Remote-Arbeit ist nicht perfekt. Angesprochen auf die weltweiten Impfkampagnen, zeigte sich Musk optimistisch und bekannte sich als Impfbefürworter.
Gerade die neuen mRNA-Impfstoffe faszinieren den Technik-Fan. Dabei geht er davon aus, dass es im laufenden Jahr eine regelrechte Impfstoff-Lawine geben wird und das am Ende viele Dosen weggeworfen werden müssen.
Silicon Valley und Bitcoin
Zwischendurch plauderte Musk über seine Anfänge im Silicon Valley und seinen Antrieb, nicht nur zuzuschauen, wie sich das Internet vor seinen Augen entwickelt, sondern aktiv dessen Werdegang mitzugestalten.
Dann kam er auf Bitcoin zu sprechen und bekannte sich als Unterstützer, wobei er allerdings ziemlich spät eingestiegen sei. Es sei aber offensichtlich, dass Bitcoin sich immer stärker in der Finanzwelt etabliert. Zu andere Kryptowährungen habe er keine starke Meinung, aber es gelte stets, dass der „unterhaltsamste Ausgang der wahrscheinlichste sei.“ Damit spielte er auf die Spaßwährung Dogecoin an, die sich ebenfalls auf einem Höhenflug befindet.
Musk drängt Robinhood-Chef Tenev in die Ecke
Bis hierhin hatten Zuhörer, die Musk schon seit Jahren begleiten, praktisch nichts Neues gehört. Dann allerdings zog Musk den Robinhood-Gründer Vlad Tenev ins Gespräch und übernahm gleichzeitig die Rolle des Interviewers. Dabei schenkte er Tenev nichts.
„Gut, sag uns, was wirklich geschehen ist. Zeig uns den Insider-Blick.“ So forderte Musk Tenev auf, zu erklären, wieso dessen Trader-App Robinhood am vergangenen Donnerstag den Handel mit den sogenannten Meme-Stocks, allen voran Gamestop, ausgesetzt hatte. Der Fall hat inzwischen juristisch und politisch Kreise gezogen. Der Generalstaatsanwalt von Texas ermittelt wegen des Verdachts der Korruption und des Marktmissbrauchs. Beide Häuser des US-Kongresses haben Anhörungen angekündigt.
„Die Menschen verlangen Antworten und sie wollen die Wahrheit erfahren“, setzte Musk nach. Tenev versuchte, zunächst im Unverbindlichen zu bleiben, sprach von einer surrealen Woche und von vielen Beratern, die plötzlich „aus den Büschen“ kämen, um Tipps zu geben. Nachdem Musk das nicht durchgehen ließ, sondern immer wieder auf den Punkt zurückkam, erzählte Tenev seine Geschichte. Zunächst stellte er klar, dass das Trader-Geschäft Robinhoods im Grunde aus drei verschiedenen Teilen bestehe. Der eine Unternehmensteil betreibe die App, ein anderer Unternehmensteil kümmere sich um die tatsächliche Abrechnung der Transaktionen und ein weiterer Unternehmensteil sei rein für das Kryptogeschäft zuständig. Alle drei Betriebsteile operierten unabhängig voneinander.
Am Mittwoch letzter Woche hätte dann das Trading-Volumen noch mal massiv zugenommen. Die Robinhood-App sei zeitweise auf Platz 1 in Apples App Store und auf vordere Plätze in Googles Play Store gerutscht. Die Last auf dem System habe ungekannte Ausmaße angenommen.
Am Donnerstagmorgen sei dann zu nachtschlafender Zeit eine Aufforderung der Clearingstelle NSCC (National Securities Clearing Corporation) eingegangen. Diese Stelle wickelt die Transaktionen der Robinhood-Trader tatsächlich ab, ist also der wichtigste, sogar unverzichtbare Erfüllungsgehilfe im Verfahren.
In der Nachricht, die um halb vier am frühen Morgen versendet worden sei, hätte die NSCC Robinhood aufgefordert, umgehend rund drei Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Sicherheiten in das System zu geben, um die Marktrisiken und zu erwartenden Transaktionskosten zu decken. Dieser Betrag sei um ein Vielfaches höher gewesen als typischerweise üblich.
In Anbetracht der Tatsache, dass Robinhood insgesamt bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst zwei Milliarden an Risikokapital akquiriert hatte, sei es sogar ein riesiger Betrag gewesen. Wie die Formel aussehe, nach der die NSCC den Betrag errechnet hatte, sei zudem reichlich undurchsichtig. Es gebe sogar einen Teil, der völlig unbekannt sei, aber als Multiplikator wirke.
Musk fragte direkt nach, ob es sich dabei um den Anteil handele, der der Meinung des festsetzenden NSCC-Mitarbeiters anheimgestellt sei, was Tenev so nicht bestätigen wollte.
„Nimmt euch irgendjemand in Geiselhaft?“
Jeder wolle nun einmal wissen, ob es am Donnerstag zu zwielichtigen Aktionen gekommen sei, forderte Musk. Es sei doch ziemlich merkwürdig, wenn plötzlich mitten in der Nacht eine Forderung nach sofort fälligen drei Milliarden Dollar in den Raum gestellt werde. „Nimmt euch irgendjemand in Geiselhaft?“, fragte Musk Tenev ganz offen. Soweit wollte Tenev nicht gehen, gab aber zu, dass er nicht genau wisse, was letztlich in der fraglichen Nacht bei der NSCC vorgegangen sei. Jedenfalls hätten er und sein Team in aller Frühe beschlossen, die Angelegenheit in der NSCC-Hierarchie nach oben zu eskalieren, um zu sehen, ob ein anderes Ergebnis zu erzielen sei. Im Ergebnis habe die NSCC die Anforderung dann auf 1,4 Milliarden gesenkt, was für Robinhood aber immer noch ein sehr hoher Betrag gewesen sei. Unter diesem Druck habe man dann überlegt, wie Risiken reduziert werden könnten, die letztlich auch den Bedarf an zusätzlichen Sicherheiten reduzieren würden.
Dabei seien sein Team und er zu dem Entschluss gelangt, den Handel mit den risikoreichsten Papieren zu beschränken und nur noch den Verkauf zu erlauben. Das hätte das NSCC immer noch am frühen Morgen, gegen fünf Uhr früh, dann dazu bewogen, eine Sicherheitsleistung von „nur“ 700 Millionen Dollar zu akzeptieren. Die habe Robinhood prompt eingezahlt.
Dabei sei ihm klar gewesen, dass das für die Kunden kein gutes Ergebnis gewesen sei. Immerhin sei Robinhood angetreten, um den Aktienhandel zu demokratisieren. Man habe in der Situation allerdings nicht anders handeln können.
„Wer kontrolliert die Clearingstelle?“, wollte Musk noch wissen. Tenev zeigte sich nicht vollständig informiert. Es handele sich nicht um eine Behörde, sondern sei mehr ein Konsortium. Viel wisse er dazu nicht. Er könne das Verhalten der Clearingstelle aber grundsätzlich nachvollziehen. Immerhin habe es tatsächlich erhebliche Marktturbulenzen gegeben. Das Aktivitätslevel sei sehr hoch gewesen. Er würde daher die Forderung nach mehr Sicherheitsleistung nicht für völlig unbegründet halten.
Die Verkaufsmöglichkeit habe man vor dem Hintergrund offengehalten, dass es wohl schlimmer sei, nicht verkaufen als nicht kaufen zu können. Darin sehe Tenev einen guten Kompromiss. Bestätigt sieht er sich in der Vorgehensweise insofern, als dass nach seiner Beobachtung auch andere Broker auf die gleiche Weise reagiert hätten.
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Tenev-Aussagen liefern Munition für juristisches Gefecht
Für den Generalstaatsanwalt wird das Tenev-Interview interessante Insights geboten haben. Immerhin scheint es sich zu bestätigen, dass hier Clearingstellen in wohl überzogener Weise finanziellen Druck ausgeübt haben – und zwar so hohen finanziellen Druck, dass die betroffenen Broker dem nicht standhalten konnten.
Wenn wir jetzt noch berücksichtigen, dass die größte Clearingstelle der USA, Citadel Securities, vom Hedgefonds-Milliardär Kenneth Griffin, der wiederum den besonders von den Robinhood-Tradern geschädigten Hedgefonds Melvin Capital letzte Woche mitgerettet hatte, betrieben wird, dann kristallisiert sich ein juristisch relevantes Bild heraus.