Europawahlprogramm im Digitalcheck: Das wollen die Grünen
Bei der Europawahl im Mai werden die digitalen Agenden der Parteien eine so große Rolle spielen wie noch bei keiner Europawahl davor. Erst im März hatten Proteste gegen die Uploadfilter in ganz Europa über 100.000 Menschen auf die Straße gebracht.
Weil die Parteiprogramme weitestgehend unter die Kategorie tl;dr (too long; didn’t read) fallen, fassen wir die wichtigsten Aspekte der jeweiligen Digitalen Agenda in einer Serie zusammen.
Die Grünen versprechen in ihrem Wahlprogramm
- Mit der Digitalisierung Ressourcen zu sparen
- Digitale KMUs zu unterstützen und Arbeitnehmer zu schützen
- Open-Source-Hardware und -Software zu unterstützen
- Besteuerungsmodelle für Algorithmen zu entwickeln
- Die digitale Infrastruktur auszubauen
- Sich gegen Diskriminierung in der IT-Branche und Social Media einzusetzen
- Sich gegen Überwachung und für Privatsphäre einzusetzen
Was bisher geschah: Für Datenschutz
Bevor wir uns mit dem Parteiprogramm beschäftigen, hier noch ein kurzer Rückblick, was die Grünen bisher im Europaparlament gemacht haben:
Bisher sind die Grünen im Europaparlament vor allem mit der DSGVO aufgefallen: Der damalige grüne Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht gilt als derjenige, der sich den EU-Datenschutz ausgedacht und in Brüssel umgesetzt hat.
Gegen Uploadfilter
Abgesehen davon haben die Grünen im Europaparlament (größtenteils) gegen die Uploadfilter in der Urheberrechtsreform gestimmt, sie haben sich bei der Telekommunikations-Binnenmarkt-Ordnung für Netzneutralität ausgesprochen und dafür, Edward Snowden in Europa Schutz zu gewähren.
Bei Privatsphäre-Themen wie E-Privacy (Tracking im Internet), Fluggastdaten-Speicherung, dem Privacy Shield und digitalen Geheimdienst-Themen haben die Grünen sich jeweils mehrheitlich für den Datenschutz der EU-Bürger eingesetzt.
(Tipp: Auf dieser Seite kannst du deine Präferenzen einfach mit dem Wahlverhalten der Parteien im EU-Parlament vergleichen.)
Grüne Digitalisierung
Ein Blick in das Grünen-Parteiprogramm für die EU-Wahl zeigt die Pläne für die nächste Legislaturperiode, ab Seite 156 findet man dort die Digitale Agenda: Grundsätzlich blicken die Grünen der Digitalisierung positiv entgegen, sie wollen „den digitalen Wandel demokratisch, ökologisch, sozial und feministisch gestalten.“
Bisher war die Digitalisierung wenig von all dem: Mit dem Aufstieg der neuen Tech-Riesen (Google, Apple, Amazon und Co.) hat sich digitale Macht eher konzentriert, als sie demokratischer geworden wäre. CO2 und Klimawandel sind in der Techwelt auch kaum ein Thema – Elektroschrott um so mehr. Bisher war Digitalisierung auch nicht sonderlich sozial. Sie scheint eher neue Klassen zu schaffen: Auf der einen Seite hochbezahlte Coder, auf der anderen Seite prekär beschäftigte Paketzusteller.
Aus grüner Sicht gäbe es also einiges zu tun, für die EU in der Digitalisierung. Konkreter werden die grünen Forderungen unter dem Schlagwort „nachhaltige Digitalökonomie“.
„Nachhaltige Digitalökonomie“
Die Grünen hoffen, mit Netzneutralität, freier Software (keine Software-Patente mehr) und offenen Schnittstellen eine „nachhaltige Digitalökonomie“ zu schaffen. Auch hier kann man sagen: Ok, da gibt es einiges zu tun: Um die Netzneutralität ist es so schlecht bestellt, wie schon lange nicht mehr, in den USA, und auch in Europa. Für Open-Source-Software muss auch noch einiges getan werden, in Europa: Im Moment ist nicht einmal die Software, die Behörden von Steuergeldern entwickeln lassen, Open Source. Allerdings: viel konkreter, als dass sie Netzneutralität und freie Software grundsätzlich wollen, werden die Grünen nicht in ihrem Wahlprogramm.
Etwas konkreter wird es dann bei der digitalen Ökologie. Eine Kernidee des Grünen-Programms ist es, die Digitalisierung zu nutzen, um ökologische Ziele und Klimaschutz zu erreichen. Kurz: Video-Konferenzen statt Geschäftsreisen. Sie wollen dafür auch ein EU-Förderprogramm auflegen, dass sich damit beschäftigt, die Digitalisierung für Ökoeffizienz zu nutzen. Die Grünen wollen sich auch eine „Green IT“-Strategie ausdenken und energieeffizientere Computerchips fördern.
Grüne IT-Wirtschaft
Bei der europäischen IT-Wirtschaft setzen die Grünen auf kleinere und mittlere Unternehmen sowie das Handwerk und wollen für sie Beratungsangebote und Förderprogramme auflegen. Auf der Arbeitnehmer-Seite wollen sie sich für den Arbeitsschutz in der digitalen Welt einsetzen, zum Beispiel gegen die ständige Verfügbarkeit. Das Programm liest sich auch so, als wollten die Grünen sich für die Arbeiter der Gig-Economy einsetzen, also für die, die die Amazon-Pakete oder die Lieferheld-Pizza am Ende zustellen müssen. Auch hier kann man sagen: keine schlechte Idee. Erst vor kurzem hat eine Razzia des Zolls gezeigt, dass viele in der Branche unter Mindestlohn arbeiten. Dienstleistungsplattformen sollen sich also, laut den Grünen, „der Verantwortung stellen“. Wie das genau aussehen soll, verraten sie nicht.
Die Grünen und Big Tech
Mittlerweile fordert selbst einer der Facebook-Mitgründer die Zerschlagung des Social-Monopolisten. Auch die Grünen wollen, laut ihrem Wahlprogramm, Facebook aufspalten.
Im Wahlprogramm fordern die Grünen auch neue „Sozialabgaben- und Besteuerungsmodelle“ für Maschinen und Algorithmen. Und, gleich im nächsten Satz, eine „Grundsicherung“, die sehr nach bedingungslosem Grundeinkommen klingt.
Der Startup-Pass
So kritisch die Grünen gegenüber Big Tech sind – so freundlich geben sie sich gegenüber Startups: Auf Seite 55 ihres Wahlprogramms schreiben die Grünen, dass sie den sogenannten Europäischen Investitionsfonds
für strategische Investitionen nicht wie geplant 2020 auslaufen lassen wollen, sondern fortführen. Das Geld soll aber nur aus EU-Töpfen an Startups fließen, die sich auch um Klimaschutz und Ressourceneffizienz bemühen. Außerdem wollen die Grünen sich besonders für Frauen in der Startup-Szene einsetzten. Erfolgsversprechenden Startups wollen sie einen Startup-Pass verleihen, mit dem man leichter an EU-Förderprogrammen teilnehmen kann und und leichter Visa für ausländische Mitarbeiter beantragen kann.
Digitale Infrastruktur
Die Grünen wollen sich laut Parteiprogramm auch für einen Ausbau der digitalen Infrastruktur einsetzen. Sie fordern eine „Investitionsoffensive“ bei 5G-Mobilfunk, Glasfaserausbau und mehr offene WLAN-Netze. Die Investitionen von Drittstaaten in der EU sollen allerdings erstmal mit einem „Investment-Screening“ geprüft werden.
Gegen digitale Diskriminierung und Hass im Netz
In ihrem Parteiprogramm sprechen die Grünen sich auch gegen digitale Diskriminierung aus. So wollen sie Programme auflegen, um Frauen als digitale Führungskräfte, Gründerinnen und Entwicklerinnen zu fördern. Sie wollen Diskriminierung durch Algorithmen verhindern, die Entscheidungen von Algorithmen aber überprüfbar machen.
Erst Anfang des Jahres hatte Robert Habeck, der Chef der Grünen in Deutschland, sich selbst von Twitter abgemeldet. Die Stimmung dort sei ihm zu aggressiv, so Habeck. Die Grünen gehen in ihrem Wahlprogramm auch auf die Probleme mit den großen Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. ein. Gegen zunehmenden Hass und Missinformation im Netz wollen sie investigativen Journalismus und Medienbildung in der Schule stärken.
Die Europawahlprogramme der Parteien im Überblick
- Europawahlprogramm im Digitalcheck: Was will die Linke?
- Europawahlprogramm im Digitalcheck: Was will die FDP?
- Europawahlprogramm im Digitalcheck: Was wollen CDU/CSU?
- Europawahlprogramm im Digitalcheck: Was will die AfD?