Startpage hat Third-Party-Cookies und Tracking seit 2006 abgeschworen. Geschäftsführer Robert E.G. Beens empfand es als unethisch und gefährlich, heimlich Daten zu sammeln, Profile von User:innen anzufertigen, die mit vorliegenden IP-Adressen eindeutig Individuen zuordenbar waren. Seitdem finanziert sich die Suchmaschine nur noch über kontextuelles Marketing – und ist seit 2006 profitabel. „Es ist ein Mythos, dass Suchmaschinen diese Daten brauchen“, so Beens.
Third-Party-Cookies und Tracking haben keine Zukunft
Third-Party-Cookies und das Tracking von persönlichen und Verhaltensdaten werden, so Beens, keine Zukunft haben. Es gebe eine Datenschutz-Welle: Sie sei langsam, aber unaufhaltsam – die Konsument:innen würden es einfordern, unterstützt von Datenschutzaktivist:innen wie Max Schrems. Sicherlich gebe es Rückschläge, so habe die DSGVO beispielsweise mit den komplizierten Cookie-Bannern Datenschutz eher nervig gemacht. Verschwinden werde das Thema aber nicht: „Das Modell ist in seiner bisherigen Form einfach nicht mehr haltbar.“ Mit ihrer Abkehr von Third-Party-Cookies habe Google die Entwicklung auf die Schnellspur gebracht. Der Wechsel von Floc zu Topics bringt aber die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, Tracking und Datenschutz zu vereinbaren – wenn es selbst der größte Player am Markt mit den meisten Ressourcen und dem größten Interesse an einer solchen Lösung nicht schafft.
Die Daten einer Suchmaschine seien aufschlussreich: Es können die medizinische und finanzielle Situation, Wünsche und Ängste, Religion oder Sexualität herausgefunden werden – höchst sensible und private Daten. Tracking sei gefährlich, auf persönlicher, unternehmerischer und sogar gesellschaftlicher Ebene. Beens verweist auf Cambridge Analytica, Brexit und die Wahl Trumps. „Es wird gegen uns missbraucht werden, früher oder später. Das ist bereits passiert. Und es wird weiterhin geschehen.“ Daten könnten aber nur dann missbraucht werden, wenn sie erfasst worden sind und vorliegen. Für Unternehmen wiederum sei es essenziell, auf Bedürfnisse der Kund:innen zu hören und gesetzliche Vorgaben einzuhalten, um das Vertrauen der Kund:innen zu gewinnen und zu erhalten. Denn die Regierungen würden Gesetze nicht einfach aus dem Nichts schaffen.
Laut Beens begreifen die meisten Menschen nicht, was und wie getrackt wird. „Online-Tracking ist eine technische Angelegenheit. Und 99 Prozent der Menschen sind nicht technisch.“ Das Sammeln der Daten geschehe hinter ihrem Rücken. Den meisten sei nicht bewusst, dass wenn sie einen Facebook-Button zum Teilen des Inhalts sehen, Facebook dann bereits ihre Daten sammele. Auch ohne, dass der Button geklickt wird.
Kontextuelles Marketing nur mit dem Suchbegriff
Die kontextuellen Anzeigen werden bei Startpage aufgrund des Suchbegriffs und der Sprache ausgespielt. „Cookies wurden für eine personalisierte Experience benutzt, aber das ist nicht das, was zählt. Es geht darum, den Intent der Kunden zu verstehen.“ Werbung soll beim kontextuellen Advertising aufgrund des Intents, der Absicht der User:innen, ausgespielt werden. Wer nach Fahrrädern suche, wolle Fahrräder oder Fahrradzubehör – egal, wer hinter dem Bildschirm sitze. „Wir haben nicht das Gefühl, ein Recht darauf zu haben, mehr zu wissen“, sagt Beens.
Zwar seien die kontextbasierten Anzeigen nicht so effektiv wie Ads mit trackingsbasiertem Targeting, allerdings sei Startpage dennoch seit 2006 profitabel. „Mit kontextbasierten Anzeigen kann man profitabel sein. Datenschutz und wirtschaftliche Interessen schließen sich nicht gegenseitig aus.“ Würde kontextuelles Marketing weiter adaptiert und als eine Alternative zum Tracking angenommen, würde es auch weiterentwickelt werden. Das bedeute Chancen für verbesserte Effizienz der kontextuellen Anzeigen.
Kontextuelles Advertising über die Suchmaschine hinaus
Auf einer Webseite gebe es, außer über die interne Suche, aber keine Suchbegriffe. Stattdessen könnten Anzeigen aber beispielsweise auf Basis des Contents geschaltet werden. Content und Content-Strategien würden also wieder wichtiger werden. Denn wenn Menschen Entscheidungen treffen und einen bestimmten Content aufrufen, so wollen sie diesen auch sehen. Beens bringt wieder den Fahrrad-Shop an: Klickt sich eine Person von der Shop-Seite zur Kategorie Zubehör und weiter zu den Fahrradschlössern, könne man sich sicher sein, dass die Person Interesse an Fahrradschlössern habe. Möglich ist auch, dass Nutzer:innen von einer Seite kommen, wo es um Fahrradschlösser ging – oder aber von einem Post des eigenen Social-Media-Kanals, beispielsweise mit einem Angebot für ein Fahrradschloss. Genutzt werden dann Daten der eigenen Kanäle, die noch immer zur Verfügung stünden.
Von den persönlichen Daten zum Intent
Laut Beens müsste der Fokus von den persönlichen Daten zur momentanen Absicht der Nutzer:innen verschoben werden. Weg davon, alles über eine Person wissen zu wollen – stattdessen einer anonym gebliebenen Person das bieten, was sie in diesem Moment möchte. Dabei hilft auf der einen Seite der aufgerufene Content und eventuell ein Suchbegriff aus der internen Suche, aber auch First-Party-Daten. Marketer:innen müssten sich mehr auf ihre eigenen Kanäle fokussieren, näher an ihren Kund:innen bleiben und deutlich mehr direkte Kommunikation mit ihnen anstreben. Beens denkt beispielsweise an E-Mail-Marketing. Große Tech-Firmen wie Google würden weiterhin in der Lage sein, größere Intent-Kohorten zu bilden, an die effektiv vermarktet werden kann, schätzt Beens. Insgesamt werde der Fokus mehr auf Community und Content liegen. Es würde mehr Arbeit bedeuten, aber es führe auch zu einer besseren Customer-Relationship. So oder so müssen Marketer:innen sich nach neuen Lösungen umsehen, so Beens: „Als Marketer hast du keine Wahl. Es ist unvermeidlich und je eher du adaptierst, desto besser.“