Mark Zuckerberg setzt nicht nur mit der Namensänderung seines Social-Media-Konzerns, sondern auch mit verstärktem Engagement im AR- und VR-Bereich massiv auf eine ganz bestimmte Idee: das Metaverse. Damit ist der Facebook-Gründer nicht alleine. Auch Firmen wie Tencent stellten in den vergangenen Wochen ihre Pläne für eine virtuell geprägte Zukunft vor, Barbados erklärte vor Kurzem außerdem, man wolle 2022 die erste digitale Botschaft im Metaverse eröffnen.
Metaverse als Gefahr? Das sagen Kritiker
Doch nicht alle teilen die Metaverse-Euphorie von Zuckerberg und Co. Gegenüber Business Insider äußerten mehrere Expert:innen nun Bedenken an den Plänen von Meta. Auch Ethan Zuckerman, der bereits in den 90er Jahren ein Metaverse entworfen hatte, gibt sich kritisch gegenüber Zuckerbergs Ambitionen.
Die Befürchtung: Bisher bekannte negative Effekte und Schwachpunkte von Social-Media-Plattformen könnten sich auf das Metaverse übertragen. Das Phänomen, dass sich schon jetzt die Newsfeeds aller Social-Media-Nutzer:innen nach deren Vorlieben unterscheiden, würde zukünftig durch zusätzliche digitale Elemente auch in die reale Welt übertragen – und könnte von Metaverse-Verantwortlichen, Werbetreibenden und anderen Parteien maßgeblich gesteuert werden.
Metaverse-Kritik: „Maßgeschneiderte Realitäten“ als Ursache für zunehmende Polarisierung
Die Welt werde sich durch zunehmende, hochentwickelte AR-Elemente „wie Harry Potter anfühlen“, beschreibt Louis Rosenberg die technologisch spannenden Aspekte, die gerade im Zuge der Metaverse-Konzeption entstehen. Rosenberg selbst ist Gründer von Unanimous AI, einem Unternehmen, das sich damit beschäftigt, die Schwarmintelligenz menschlicher Gruppen Algorithmus-basiert zu verstärken; und auch er warnt vor den Auswirkungen von Zuckerbergs Metaverse-Entwurf.
Dass Algorithmen den digitalen Horizont von Menschen auf kleine, unbewusst zusammengestellte Filterblasen reduzieren, ist kein neues Konzept. Auch die Verstärkung der eigenen Meinung durch die Ausspielung immer weiter angepasster Inhalte ist schon jetzt Thema zahlreicher Forschungsarbeiten.
Ein Metaverse nach den Entwürfen Mark Zuckerbergs, das sich nicht auf den digitalen Raum beschränkt, ginge laut den Kritikern allerdings einen entscheidenden Schritt weiter als bisherige Plattformen: Die Differenzierung zwischen Informationen aus dem digitalen Raum und der eigenen Lebensrealität dürfte noch schwieriger werden, die Grenzen zwischen beiden immer mehr verschwimmen. „Anstatt uns nur in unseren eigenen Informationsblasen zu befinden, werden wir in unsere eigenen maßgeschneiderten Realitäten aufgeteilt“, so Rosenberg. Er befürchtet eine weiter zunehmende politische Polarisierung.
Facebooks Metaverse-Entwurf: „Die Leute sollten sich Sorgen machen“
Auch Shawn Frayne, der das Hologram-Startup Looking Glass Factory leitet, geht gegenüber Business Insider auf die enormen Bemühungen von Meta, ehemals Facebook, im Bereich des Metaverse ein. „Die Leute sollten sich Sorgen machen“. Interne Berichte und Kritiker hatten in der Vergangenheit immer wieder diverse negative Einflüsse des Unternehmens aufgezeigt. „Wenn Sie glauben, dass Facebook auf Ihrem Telefon schlecht für die Demokratie war, dann stellen Sie sich vor, dass Ihr gesamtes Blickfeld von einem solchen Unternehmen kontrolliert wird.“
Dass Meta zudem die bereits bestehenden Probleme mit der Regulierung von Inhalten auch auf den hauseigenen Metaverse-Entwurf übertragen wird, fürchtet Ethan Zuckerman. Er schrieb Ende Oktober eine Art offenen Brief in The Atlantic mit dem Titel: „Hey, Facebook, I Made a Metaverse 27 Years Ago“. Darin heißt es: „Wie wird ein Unternehmen, das nur sechs Prozent der arabischsprachigen Hassinhalte blockieren kann, mit gefährlichen Äußerungen umgehen, wenn diese auf dem T-Shirt eines Avatars getragen oder am Ende eines virtuellen Feuerwerks gezeigt werden?“
Metaverse: Entwicklung unaufhaltsam, Regulierung nicht gegeben?
Neben der Verstärkung von negativen Effekten, die aktuell bereits von Social Media bekannt sind, und neuen Fragen beim Umgang mit kritischen Inhalten, prophezeit Rosenberg auch massive Veränderungen im Werbemarkt. Produktplatzierungen und Werbegespräche, die via Simulation in die regulären Abläufe einer Person eingefügt werden, könnten sich nahtlos ins Gesamtbild einfügen.
Insgesamt dürften die Gefahren durch das Metaverse seiner Meinung nach dessen Vorteile deutlich übersteigen, so Rosenberg. Ändern werde sich durch diese Erkenntnis allerdings nicht viel – die Entwicklung in Richtung Metaverse hält er für unvermeidlich.
Was es dann braucht, um das Konzept für die Nutzer:innen möglichst wenig schädlich zu gestalten? Eine klare Regulierung, so die Expert:innen. Wer dafür allerdings die ausschlaggebende Instanz darstellt, sei noch unklar – schließlich soll das Metaverse laut Definition grenzenlos sein.