Während Android auf Smartphones das weltweit führende Betriebsystem ist – letzten Zahlen von der I/O 2021 zufolge sind drei Milliarden Geräte im Umlauf –, sieht es bei Googles Wearable-Betriebssystem Wear OS vollkommen anders aus. Laut den Marktforschern von Counterpoint dominiert die Apple Watch mit einem Marktanteil von 40 Prozent. Auf den Folgeplätzen sind weit abgeschlagen Huawei und Samsung mit jeweils neun Prozent und Fitbit mit sieben Prozent. Hersteller von Googles Wear OS sind derweil unter „ferner liefen“ zu finden und spielen auf dem Markt eine eher untergeordnete Rolle.
Wear OS: Google holt sich für seinen Neuanfang Expertise aus dem Wearable-Bereich
Das hat einen guten Grund: Googles Wear OS ist bei weitem nicht so ausgereift wie Apples watchOS und hat in den letzten Jahren wenig Aufmerksamkeit von Google erfahren, um es mit neuen Funktionen und Verbesserungen zu versehen. Das dürfte unter anderem der Grund sein, weshalb große Hersteller wie Samsung und Huawei lieber auf eigene Lösungen gesetzt haben.
Samsungs Uhren wie die Galaxy Watch 3 basieren auf dem hauseigenen Tizen-OS und sind zurzeit wohl die beste Wahl, wenn es um Smartwatches für Android geht – sie unterstützen sogar eingeschränkt iOS. Leider fehlt der Tizen-Plattform die Unterstützung für das Bezahlsystem Google Pay, sie bietet aber immerhin mit Samsung Pay eine Alternative an. Bei Huaweis Smartwatch-Betriebssystem LiteOS fehlt diese Option komplett. Vorteil der Huawei-Plattform ist die Laufzeit von bis zu zehn Tagen. Beide Lösungen sind indes nur als Insellösungen zu verstehen, da sie in vollem Umfang nur auf den Geräten der Hersteller funktionieren. Das bedeutet letztlich, dass derzeit jeder sein eigenes Süppchen kocht und das volle Potenzial der Android-Welt bei Weitem nicht ausnutzt.
Das soll sich nun ändern, wie Google im Zuge seiner Entwicklerkonferenz I/O 2021 am Dienstag angekündigt hat. Der Konzern hat sich mit Samsung und seiner neuen Tochter Fitbit Expertise an Bord geholt, mit deren Hilfe die Wear-OS-Plattform zu einer Art „watchOS-Plattform für Android“ gemacht werden soll.
Samsung für seinen Teil lässt Tizen für seine Smartwatches links liegen und bringt künftige Galaxy-Uhren wie die im Sommer erwartete Galaxy Watch 4 mit Wear OS heraus. Alles andere wäre seltsam, da die Südkoreaner an der Entwicklung der neuen Wear-OS-Version aktiv mitgewirkt haben.
Samsung sei vor allem an der Optimierung der Software beteiligt gewesen, von der neben der Performance auch die Akkulaufzeit profitiere, erklärt Google. Beide Faktoren waren bisher nicht unbedingt die Stärken von Wear OS. Laut Google sollen Apps künftig bis zu 30 Prozent schneller starten und die Oberfläche auf neuer Hardware flüssiger laufen. Zudem soll die Akku-Laufzeit trotz permanenter Pulsmessung über einen ganzen Tag lang bis zum Ende des Folgetags betragen. Die verbesserte Energieeffizienz habe unter anderem mit einer neuen Aktivitätsplattform, den Health-Services, zu tun, die zusammen mit Samsung entwickelt wurde. Sie sammelt die Fitness- und Gesundheitsdaten an zentraler Stelle und soll für Datenkonsistenz über Apps hinweg sorgen.
Die neue Uhrensoftware, die bis auf Weiteres auf Version 11 basiert, soll wie Android 12 mit der neuen Nutzeroberfläche „Material You“ versehen werden. Allerdings steht es Herstellern frei, eine eigene Nutzeroberfläche über das System zu stülpen, was bislang seitens Google nicht erlaubt war. Zudem wird Samsung weiterhin das Markenzeichen seiner Uhren, die drehbare Lünette für die Interaktion, verwenden können. Das bedeutet, dass Smartwatches mit Wear OS künftig in vielen Facetten angeboten werden und den Markt so vielfältig wie den Smartphone-Sektor werden lassen.
Wear OS: Apps, Apps, Apps und Health
Um die Fitness- und Gesundheits-Seite der Wear-OS-Plattform zu stärken, die bei der Apple Watch bekanntlich stark ausgeprägt ist, integriert Google die von Fitbit bekannten Funktionen zum Tracken von Gesundheits- und Aktivitätsdaten. Auch die Gamification-Funktionen ziehen in Wear OS ein.
Aber auch das weitere App-Ökosystem will Google offenbar stärken, um mehr Funktionen am Handgelenk zu bieten. Bezahlen per Google Pay wird möglich sein, zudem will Google seine Youtube-Music-App mit Offline-Funktion anbieten, wie auch eine Google-Maps-Navigation, die langfristig unabhängig vom Smartphone funktionieren soll.
Darüber hinaus hat auch der Musikstreaming-Anbieter Spotify eine neu gestaltete App für Wear OS angekündigt, mit der ihr Songs direkt über die Uhr streamen könnt. Auch Adidas, Bitmoji und Strava wollen umfangreich verbesserte Apps für Wear OS liefern.
Wear OS: Software is the Key, aber ohne Hardware geht es nicht
Auf der Softwareseite hat Google mit der neuen Wear-OS-Version sowie der Unterstützung von Samsung und Fitbit so viel Arbeit investiert wie noch nie. Das ist jedoch nur die eine Seite: Denn ohne die richtige Hardware ist die beste Software nichts. Hier dürften wir unter anderem auch von Fitbit und Samsung bald erste Produkte sehen. Ob die Sensorik für die Gesundheits- und Fitnessdaten mit Apples Variante mithalten kann, muss sich zeigen. In diesem Bereich konnten die beiden Unternehmen in der Vergangenheit nicht vollends überzeugen.
Ob das neue kollektive Wear-OS-Projekt erfolgreich ist, sollten wir schon bald wissen: Samsungs Galaxy Watch 4 wird im Laufe des Sommers erwartet und Google wird seine erste eigene Watch mit hoher Wahrscheinlichkeit im Oktober zusammen mit dem Pixel 6 vorstellen.
Für Android-Nutzer wie mich könnte das neidische Schielen auf den runderen Apple-Kosmos und die Apple Watch dann endlich ein Ende finden.