Nissan Ariya im Test: Futuristisches Elektroauto mit jeder Menge Platz
Beim Thema Elektromobilität denken heute die meisten sofort an Tesla. Dabei wird gern vergessen, dass es der japanische Automobilhersteller Nissan war, der mit dem Leaf bereits 2010 – noch vor dem BMW i3 und dem Tesla Model S – das erste von Grund auf als Elektroauto konzipierte Fahrzeug in Großserie auf den Markt gebracht hat.
Bis heute wurden über 600.000 Einheiten produziert, was den Leaf zu einem der weltweit meistverkauften Elektroautos macht. In den vergangenen Jahren jedoch spielte der Kompaktwagen kaum noch eine Rolle, da er technisch mit der seit 2019 immer größer werdenden Konkurrenz schlichtweg nicht mehr mithalten konnte.
Während andere Hersteller reihenweise vollelektrische Modelle auf den Markt brachten, passierte bei Nissan nichts. Die Japaner überließen das Feld Marken wie Tesla, Renault, Volkswagen, Hyundai oder Kia – und so geriet der einstige Pionier im Bereich der Elektromobilität zunehmend in Vergessenheit.
Doch nun endlich meldet sich Nissan mit dem Ariya zurück. Aber kann die Marke damit an den Erfolg des Leaf anknüpfen?
Nissan Ariya: Futuristisches Design und viele Motorisierungen
Nissan hat sich beim Ariya dem Zeitgeist entsprechend für ein geräumiges Crossover-SUV entschieden und diesem ein überaus futuristisches Design verpasst – sowohl außen als auch im Innenraum. Mit dem Ariya hebt man sich definitiv vom Mainstream ab.
Zudem legen die Japaner Wert darauf, für jeden die passende Motorisierung und Batteriekapazität im Angebot zu haben. Los geht’s mit 160 Kilowatt (218 PS), Vorderradantrieb, einer 63-Kilowattstunden-Batterie und 401 Kilometern Reichweite (WLTP). Wer sich für die große 87-Kilowattstunden-Batterie entscheidet, hat die Wahl zwischen Vorderrad- (178 kW/242 PS) und Allradantrieb (225 kW/306 PS). Die Reichweite steigt dann auf über 500 Kilometer im WLTP-Zyklus. Und dann wäre da noch der Ariya mit dem e‑4ORCE-Allradantrieb, der es auf 290 Kilowatt (394 PS) bringt. Den Sprint von 0 auf 100 km/h absolviert das Spitzenmodell in 5,1 Sekunden.
Was die Ausstattung angeht, bietet der Ariya zumindest optional so gut wie alles, was heutzutage State of the Art ist: AC-Lader mit 22 Kilowatt, Wärmepumpe, wassergekühltes Batterietemperatur-Managementsystem, 10,8-Zoll-Head-up-Display, Bose-Soundsystem mit zehn Lautsprechern, digitaler Innenspiegel mit Kamerafunktion, Amazon Alexa – und natürlich alle gängigen Assistenzsysteme.
All das hat natürlich – wenig überraschend – seinen Preis. In der Basisversion kostet der Ariya 47.490 Euro, das Spitzenmodell mit Vollausstattung liegt bei 71.490 Euro. Das entspricht in etwa dem, was auch Kia für den EV6 und Hyundai für den Ioniq 5 verlangen.
Nissan Ariya: Reichweite und Ladeleistung
Was die Reichweite betrifft, gibt es bei dem 4,60 Meter langen Crossover-Coupé mit 2,78 Meter langem Radstand keine großen Überraschungen. Mit der 87-Kilowattstunden-Batterie sind je nach Streckenprofil zwischen 390 Kilometer (Autobahn) und 500 Kilometer (innerorts und Landstraße) realistisch. Damit bietet der Ariya zwar eine langstreckentaugliche Reichweite, ist aber dennoch kein Effizienzwunder.
Wer den Ariya vor allem für kürzere Strecken nutzt, kann beruhigt zum kleineren Akku mit 63 Kilowattstunden greifen. Mit diesem dürften im Alltag Reichweiten zwischen 270 und 340 Kilometern durchaus realistisch sein.
Keinen Gefallen hat sich Nissan mit der Entscheidung getan, dem Ariya lediglich eine maximale DC-Ladeleistung von 130 Kilowatt zu spendieren. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass die südkoreanische Konkurrenz auf 800-Volt-Technik mit bis zu 240 Kilowatt Ladeleistung setzt.
Zwar fällt die Ladekurve des Ariya erst ab etwa 60 Prozent State of Charge (SoC) auf unter 100 Kilowatt, aber dennoch muss man insgesamt gute 35 Minuten warten, wenn man den Akku von 10 auf 80 Prozent SoC laden will. Damit liegt der vollelektrische Nissan zwar immer noch auf Augenhöhe mit einem Škoda Enyaq oder VW ID 4, aber dennoch hätte dem Ariya zumindest bei der großen Batterie eine Ladeleistung von 150 Kilowatt oder mehr gut zu Gesicht gestanden.
Immerhin gibt es den optionalen AC-Lader mit 22 Kilowatt, der sich vor allem im urbanen Raum, wo Schnelllader nach wie vor Mangelware sind, als überaus praktisch erweist.
Nissan Ariya: Platz für die ganze Familie
Abgesehen davon erweist sich der Nissan Ariya in der Praxis als überaus gelungenes und vor allem geräumiges Elektroauto. Egal, ob auf den Vordersitzen oder auf der Rückbank: Das vollelektrische Crossover punktet mit einer hervorragenden Kopf- und Beinfreiheit. Unterstützt wird das großzügige Raumgefühl durch das auf das Wesentliche reduzierte Armaturenbrett und die nicht durchgehende Mittelkonsole.
Auch der Kofferraum kann sich sehen lassen: zwischen 415 Liter (Allrad) und 468 Liter (Vorderradantrieb) stehen standardmäßig zur Verfügung. Klappt man die Rückbank um, fasst der Ariya ganze 1.350 Liter. Alles in allem ist der Ariya damit durchaus als vollelektrisches Familienauto geeignet.
Sowohl das Fahrwerk als auch die Assistenzsysteme sind komfortabel abgestimmt, sodass man stets entspannt am Ziel ankommt. Die Assistenzsysteme machen ihren Job gut, das Infotainmentsystem lässt sich einfach und intuitiv bedienen. Diesbezüglich tanzt der Ariya an keiner Stelle aus der Reihe – weder im positiven noch im negativen Sinne.
Nissan Ariya: Die Konkurrenz hat nicht geschlafen
Sieht man von der etwas mageren Ladeleistung ab, ist der Nissan Ariya ein durch und durch gelungenes Elektroauto. Er bietet gerade für Familien jede Menge Platz und kann auch in puncto Reichweite überzeugen. Mit seinem futuristischen Design hebt er sich von der Masse an Elektroautos ab – und wartet auch im Innenraum mit einer hochwertigen Verarbeitung und Materialauswahl auf.
Die Frage ist, ob das ausreicht, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Wie eingangs erwähnt, war Nissan mit dem Leaf einst ein Pionier im Bereich der Elektromobilität – und seiner Zeit weit voraus. Der Ariya hingegen kommt vergleichsweise spät und hat – abgesehen vielleicht vom Design – keinerlei Besonderheiten, die ihn von den vollelektrischen Modellen anderer Hersteller abheben würden.
Zumal der Basispreis von knapp 48.000 Euro nicht gerade ein Kampfpreis ist. Und die 5,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h im fast 72.000 Euro teuren Spitzenmodell? Die wären in der Verbrenner-Ära noch eine Erwähnung wert gewesen, aber in Zeiten, in denen ein Smart #1 diesen Sprint in 3,9 Sekunden absolviert und selbst ein Volvo XC40 dafür nur 4,9 Sekunden braucht, ist auch das nicht wirklich ein Verkaufsargument.
Der Nissan Ariya wird seinen Platz in der Welt finden, aber an den Erfolg des Leaf wird das vollelektrische Crossover definitiv nicht anschließen können.