Microsoft hat seine mobile Plattform – Windows Phone respektive Windows 10 Mobile – untergehen lassen. Das Unternehmen hätte mit einer erfolgreichen mobilen Plattform in Kombination mit Windows 10 eine Antwort auf Apples duale Plattformen iOS und macOS parat gehabt, die immer enger zusammenarbeiten. Stattdessen beschreitet Microsoft einen anderen Weg, der offenbar recht gut funktioniert und auch aus Nutzersicht immer interessanter wird.
Statt Windows-Phone: Microsoft-Dienste für alle Plattformen
Microsofts Alternative zu einer eigenen Mobilplattform ist gewissermaßen ein „Plan B“ – das zeichnet sich immer deutlicher ab und scheint zu funktionieren. Die Redmonder gehen mit ihren Diensten und Anwendungen dorthin, wo die User sind, und geben sich redliche Mühe, ihre Lösungen für iOS und Android so gut zu gestalten, dass man sie gerne nutzen will. Insbesondere Android ist aufgrund seiner Offenheit ein Glückstreffer, wenngleich der Konzern unter der Führung von Steve Ballmer nichts mit der Plattform zu tun haben wollte. Unter der Führung von Satya Nadella hat sich Microsoft dagegen massiv geöffnet.

Microsoft setzt auf eine Multi-Device-Welt. (Bild: Microsoft)
Nicht erst seit der Ankündigung des Android-basierten Surface Duo, sondern schon im Zuge der Build-Entwicklerkonferenz 2018 spricht Microsoft von einer „Multi-Device-World“, in der viele Menschen mehr als nur ein Gerät verwenden. Diesen Umstand sollten wir alle kennen: Unterwegs nutzen wir Android-Smartphones oder iPhones, im Büro sind es meist Windows- oder macOS-Rechner – in anderen Situationen, etwa zum Lesen oder Video schauen, kann es auch mal ein Tablet sein. Bei vielen der Gerätschaften handelt es sich offensichtlich nicht um Windows-Produkte. Aber auch außerhalb von Microsofts-Hardware-Bubble will der Konzern mit seinen Produkten wie Office 365 und seiner Cloud eine Rolle spielen und hebt seine Relevanz weiter hervor.
Zwar sei Windows 10 immer noch wichtig, das OS nehme aber eine nicht mehr so zentrale Position im Microsofts Kosmos ein wie noch vor ein paar Jahren, erklärte Microsoft-Chef Satya Nadella. Relevanter seien die Apps und die Nutzererfahrung. Daher gehe das Unternehmen mit seinen Cloud-Diensten dorthin, wo die Nutzer sind.
Android und Windows 10 wachsen fast wie iOS und macOS zusammen
Auf Android mutet Microsofts Ansatz beinahe schon ein wenig wie ein trojanisches Pferd an, denn zahlreiche Google-Dienste können aufgrund der Offenheit des Systems einfach gegen Microsofts eigene Anwendungen ersetzt werden. So kann der Sprachassistent Cortana schon seit 2016 als Standard-Assistent auf Android eingesetzt werden, der Launcher „Microsoft Launcher“ kann auf allen Android-Smartphones den voreingestellten Launcher des Herstellers ersetzen. Mit diesem erhaltet ihr nicht nur eine überraschend gute Lösung, sondern einen direkten Draht in das Microsoft-Ökosystem.
Viele Nutzer installieren sich jedoch nicht unbedingt eine Launcher-Alternative, sondern behalten ihr Gerät wie es aus der Verpackung kommt – mit Standardlauncher (und -klingeltönen). Für diesen Fall hat Microsoft zumindest mit dem größten Smartphone-Hersteller der Welt Samsung eine enge Partnerschaft geschlossen. Seit Jahren schon sind diverse Anwendungen der Redmonder vorinstalliert, mit der Ankündigung des Galaxy Note 10 (Test) ist ein Link ins Microsoft-Universum direkt in die Schnelleinstellungen gewandert, mit dem die Your-Phone-App gestartet werden kann. Dieses Feature ist per Update auch auf die Galaxy S10-Familie herübergewandert.
Die Your-Phone-App, die in Deutschland „Link zu Windows“ heißt, ermöglicht nicht nur die Anzeige von Textnachrichten und Anrufen in der Benachrichtigungsleiste, sondern lernt immer neue Tricks. Schon auf der Entwicklerkonferenz Build 2018 hat Microsoft dem Tool „Your Phone“ die Möglichkeit verpasst, den Inhalt eures Android-Smartphones zu spiegeln. Auch Fotos, die auf dem Smartphone liegen, lassen sich per Drag-and-Drop in ein Dokument verschieben. Ähnlich wie unter iOS und macOS bietet Microsoft außerdem eine geräteübergreifende Zwischenablage, mit der ihr kopierte Inhalte auf allen mit dem Microsoft-Konto verbundenen Geräte – auch Android-Smartphones – nutzen könnt.
Das Weiteren ermöglicht die App mit einem Update Anrufe, die auf dem gekoppelten Android-Gerät eingehen, am Desktop zu beantworten oder abzulehnen. Dabei sollen Anrufe mit einer Textnachricht abgelehnt oder direkt auf die Mailbox umgeleitet werden. Das Smartphone muss nicht einmal in die Hand genommen werden.

Microsoft Your Phone: So sieht die Anruffunktion aus. (Bild: Microsoft)
Ideal für eine Multi-Device-Welt ist zudem die Timeline-Funktion, die mit dem Windows-10-April-2018-Update eingeführt wurde. Mit diesem Feature könnt ihr eine Aufgabe beispielsweise auf Windows beginnen und auf einem anderen Gerät – sowohl auf Android als auch iOS – fortsetzen. In der Windows-Zeitleiste werden automatisch alle Programmaktivitäten der letzten dreißig Tage chronologisch angezeigt – nicht nur für den aktiven Rechner, sondern für alle mit dem Microsoft-Konto verbundenen Endgeräte. Eine Suchfunktion hilft dabei, den gewünschten Inhalt zu finden.

Neues Feature: Adaptive Cards wird auch auf Android und iOS zum Einsatz kommen. (Bild: Microsoft)
Vor allem Android und Windows – und in Teilen auch iOS – wachsen gewissermaßen mit der Hilfe von Microsoft zu einem großen Ökosystem zusammen, wodurch eine ähnliche nahtlose Nutzererfahrung ermöglicht wird, wie unter Apples Plattformen. Allerdings verhält es sich wie bei Apple: Es ist erforderlich, dass ihr die Microsoft-Dienste wie Word, Kalender, Outlook und weitere Anwendungen nutzt.
Surface Duo: Google und Microsoft arbeiten bei Android ein wenig zusammen
Dass Android für Smartphones eine sehr gute Wahl ist, zeigte Microsoft auf seinem Hardware-Event im Oktober. Jahre nachdem Gerüchte über ein mutmaßliches Surface Phone erstmals die Runde machten, wurde das Surface Duo enthüllt. Das Dual-Screen-Gerät in Smartphone-Größe läuft nicht auf einer angepassten Windows-Version, stattdessen hat sich Microsoft mit Google zusammengetan und Android für die neue Gerätekategorie entwickelt. Spekulationen über eine mögliche Zusammenarbeit der beiden Unternehmen am Project Andromeda reichen schon zwei Jahre zurück.

(Screenshot: Statcounter)
Mit dem Griff zu Android hat Microsoft gewissermaßen den Kampf im Bereich der Smartphone-Betriebssysteme aufgegeben. Android ist mittlerweile so weit verbreitet, dass es Windows als am weitesten verbreitetes Betriebssystem überholt hat und den Vorsprung immer weiter ausbaut. Microsoft macht damit das Beste aus seiner Position. Die letzten Umsatzzahlen zeigen, dass Nadellas Strategie aufgeht.
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