Ethereum-Erfinder Vitalik Buterin: „Manche meiner Prognosen waren lächerlich“
Buterin ist nicht bekannt dafür, sich taktisch zu äußern. Vielmehr ist er stets sehr selbstkritisch. Wer ihn nach seiner Meinung fragt, erhält mit hoher Wahrscheinlichkeit Buterins wahre Ansicht zu einem gegebenen Thema zum gegebenen Zeitpunkt.
„Lächerliche Prognose“ zu PoS amüsiert Buterin
Das Angenehme am Ethereum-Erfinder ist, dass er seine Meinung nie zum Faktum hochstilisiert. Konsequenterweise ist er immer bereit, zuzugeben, wo er sich geirrt hat. Er schaut sogar einigermaßen regelmäßig auf seine eigenen Aussagen zurück und resümiert, wo er richtig lag und wo dann doch falsch.
So machte er sich jüngst über eine Reihe seiner eigenen Vorhersagen lustig, die er 2015 über den Zeitpunkt der Einführung von Proof-of-Stake (PoS) und Sharding, dem zweiten wesentlichen Element von Ethereum 2.0, gemacht hatte. Schon 2016 werde es so weit sein, dachte er damals. Damit habe er „sehr falsch“ gelegen, die Prognose sei geradezu lächerlich gewesen.
Ethereum 2.0 immer noch in der Pipeline
Während der Umstieg auf Proof-Of-Stake in der Form des Merge zwischen Beacon-Chain und Ethereum-Mainnet nun für die erste Jahreshälfte 2022 geplant ist, werden wir auf die Einführung des Sharding noch bis mindestens zum nächsten Jahreswechsel warten müssen.
Beim Sharding wird die Blockchain in Partitionen (Shards, Scherben) aufgeteilt, die einzeln verarbeitet werden können. So führt eine Transaktion nur zu einer Belastung des jeweils angesprochenen Shards und nicht – wie bisher – der gesamten Chain. Je mehr Shards, desto höher der Durchsatz, so der einfache Ansatz. Einen entfernt vergleichbaren Ansatz verfolgen verschiedene Layer-2-Lösungen, die auf Sidechains setzen.
Learning: Pragmatische Lösungen sind akademischen vorzuziehen
Eine kleine Einschränkung zur eigenen Verteidigung macht Buterin dann doch. So meint er, dass der Hauptfehler in seinen Vorhersagen darin bestand, dass er „die Komplexität der Softwareentwicklung zu dieser Zeit zutiefst unterschätzt“ habe. Genau daraus habe sein Team dann aber doch etwas gelernt.
So lege das Entwickler-Team heutzutage „viel mehr Wert auf Einfachheit – sowohl die Einfachheit des endgültigen Designs als auch die Einfachheit des Weges, um dorthin zu gelangen.“ Es gebe jetzt mehr „Wertschätzung für pragmatische Kompromisse.“
Andere Entwicklungen reklamiert er korrekt vorhergesagt haben. So fänden sich in dem Ethereum-Whitepaper, das Ende 2013 veröffentlicht wurde, einige im Wesentlichen richtige Prognosen zur künftigen Entwicklung der Kryptowährung. Es habe „im Grunde genommen Defi vorausgesagt“. Völlig verpasst habe es allerdings den gesamten Bereich der nicht-fungiblen Token (NFT).
Argentinien als Beispiel für den Krypto-Umstieg
In anderen Tweets verweist Buterin auf seine Bitcoin-Prognosen aus dem Jahr 2013. Darin hatte er vorhergesagt, dass Länder wie Argentinien oder der Iran stark vom Bitcoin profitieren könnten. Tatsächlich habe er die Richtigkeit dieser Vorhersage zum Jahresende 2021 anlässlich einer Reise nach Argentinien selbst überprüfen können.
Allerdings sei dort neben der Bitcoin-Adaption auch die Nutzung von Stablecoins, vornehmlich Tether (USDT), hoch. Viele Firmen würden damit arbeiten. Das ist angesichts einer Inflationsrate von über 50 Prozent durchaus plausibel. Der Immobilienmarkt in Buenos Aires, der Hauptstadt des südamerikanischen Landes, wird zunehmend über Bitcoins abgewickelt. Die Landeswährung, den Peso, will kaum noch ein Immobilienbesitzer im Tausch gegen eine Liegenschaft akzeptieren. Da scheint die Spekulation mit einem volatilen Digital-Asset für viele das kleinere Risiko darzustellen.
Alltagsgeschäfte hingegen werden zunehmend mit Tether abgewickelt. Das empfindet Buterin als einederzeit noch stabile Lösung, die allerdings dann unter Druck geraten könnte, wenn der Dollar, der den Tether stützt, selbst stärker unter Druck gerät – so die Einschätzung des Ethereum-Erfinders.