„Kriegserklärung“: Setzt Musk bei Twitter die Pläne eines Rechtsradikalen um?
Seit Elon Musk im Oktober 2022 Twitter gekauft hat, ist bei dem Microblogging-Dienst kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Der Multimilliardär feuerte Tausende Mitarbeiter:innen, setzte Kontrollfunktionen außer Kraft und holte insbesondere rechte und rechtsradikale Stimmen aus der Verbannung zurück – darunter Ex-US-Präsident Donald Trump.
Twitter/X: Mehr Hassrede nach Übernahme durch Musk
Seine Aktionen und Äußerungen bei dem mittlerweile X getauften Dienst verschreckten Nutzer:innen und Werbekund:innen. Beobachter:innen registrierten eine zunehmend aggressive Stimmung, Diskriminierung und Hetze häuften sich laut Studien.
Für die drastisch eingebrochenen Werbeumsätze macht Musk derweil nicht sein eigenes Verhalten und den Umgang mit Twitter, sondern speziell die Anti-Defamation League (ADL) verantwortlich. Die jüdisch-amerikanische Organisation, die sich gegen Antisemitismus und generell gegen Hassrede einsetzt, ist Musk offenbar ein Dorn im Auge.
Entwicklung wie in Planspiel von Rechtsaußen-Blog
Wenig verwunderlich, wenn stimmt, was der US-TV-Sender NBC recherchiert hat. Demnach deckt sich die Entwicklung bei Twitter unter Musk, darunter die Angriffe auf die ADL, ziemlich genau mit Ideen des Rechtsaußen-Blogs Revolver News.
Dessen Betreiber Darren Beattie soll hinter einem entsprechenden anonym veröffentlichten Artikel stecken. In diesem wird die Übernahme von Twitter durch Musk zu einer „Kriegserklärung gegen das globalistische amerikanische Reich“ hochstilisiert.
Ex-Redenschreiber von Trump als Stichwortgeber
Beattie war einst Redenschreiber für Trump und den Ultraradikalen Republikaner Matt Gaetz – der zuletzt den Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy zu Fall brachte – und verkehrt in ultrarechten Kreisen. 2018 wurde ihm etwa ein gemeinsamer Auftritt mit dem berüchtigten White-Nationalist-Aktivisten Peter Brimelow zum Verhängnis. Dieser führte zu seinem Rauswurf aus dem Weißen Haus.
Auch für eine Reihe anonym an Musk gesendeter SMS soll Beattie verantwortlich zeichnen – gegenüber NBC wollte er das nicht bestätigen, dementierte seine Urheberschaft aber auch nicht. In den SMS-Nachrichten flehte der Absender Musk jedenfalls Anfang April 2022 an, Twitter zu übernehmen – was dieser ja dann auch tat.
Schlachtplan für die Twitter-Übernahme
Die Inhalte der SMS decken sich grob mit den Zwischentiteln des oben erwähnten Blogartikels, der ebenfalls Anfang April 2022 unter dem Titel „Der Kampf des Jahrhunderts: Was passiert, wenn Elon Musk Twitter kauft“ veröffentlicht wurde. In den SMS wird wie in dem Artikel eine Art Schlachtplan für die Twitter-Übernahme und die Zeit danach entworfen.
Demnach wurde zuerst prophezeit, dass die Plattform von außen für ihre Nutzer:innen verantwortlich gemacht werde. Das geschah, nachdem Musk die Konten verschiedener prominenter, teils rechtsradikaler Nutzer:innen wieder freigeschaltet hatte und Kontrollmechanismen gegen Diskriminierung und Hassrede außer Kraft setzte.
Statt Verifizierung: Blaue Häkchen jetzt im Abo
Danach werde eine, so beschreibt es der Artikel als Schritt zwei, Kampagne der ADL und andere Nonprofitorganisationen starten, um dagegen zu protestieren. Genau das geschah auch. Den in Punkt drei beschriebenen „Exodus der Bluechecks“ ging Musk ebenfalls an, indem er die entsprechenden Verizifizierungsmechanismen aushebelte.
Dadurch stieg die Zahl der Fake-Konten mit dem einst wichtigen Verifizierungsmerkmal, dem blauen Häkchen. Während darüber früher die Echtheit von Konten bestätigt wurde, lässt sich das Häkchen mittlerweile über das sogenannte Twitter-Blue-Abo erwerben.
Der vierte und letzte Schritt wäre ein sogenanntes Deplatforming. Ähnlich wie Parler würde Twitter (X) irgendwann als zu radikal empfunden und die App aus den Stores von Google und Apple fliegen. Dem wiederum ein entsprechender Aufschrei von der rechten Seite folgen würde.
Wiederholte Angriffe auf Anti-Defamation League
Die wiederholten verbalen Angriffe Musks auf die ADL passen laut NBC ebenso zu den in dem Artikel geäußerten Gedanken wie die Unterstützung für die russischen Staatsmedien Russia Today (RT) und Sputnik. Musk hatte bei ihnen das zuvor vergebene Label „staatlich finanziertes Medium“ entfernt – und dafür ein herzliches Dankeschön von Russlands Chefpropagandistin Margarita Simonjan erhalten.
Nicht in dem Artikel und den SMS-Nachrichten erwähnt, aber trotzdem umgesetzt, wurde der Vorschlag Beatties, Musk solle doch die internen E-Mails des alten Managements offenlegen. Dieser im Oktober 2022 bei Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon getätigte Empfehlung folgten im Dezember 2022 die sogenannten Twitter-Files.
Ziel der Twitter-Kaufpläne unklar
Wohin die als „Kriegserklärung an das Regime“ genannte Twitter-Übernahme letztlich führen soll, steht in dem Artikel allerdings nicht. Die Zunahme diskriminierender Äußerungen und die Diffamierung der ADL könnten aber zu dem Plan gehören.
Ob es vielleicht einfach nur darum geht, dass Donald Trump wieder US-Präsident wird? Schließlich beginnt der Blogartikel mit der unbewiesenen Behauptung, dass die angebliche Twitter-Zensur Trump 2020 den Sieg gekostet habe. Letzterer hat sich allerdings seit der Freigabe seines im Januar 2021 gesperrten Kontos kaum auf Twitter/X blicken lassen.