Über 85 Millionen Wallets für Kryptowährungen gab es 2022 weltweit. Das hat Grand View Research berechnet. Und die Zahl der Investierenden soll noch weiter steigen. Währen die Pleite der populären Kryptobörse FTX im vergangenen Jahr Interessent:innen abgeschreckt hat, sehen andere die gesunkenen Preise für Kryptowährungen als gute Einstiegsmöglichkeit. „Viele haben Angst, etwas zu verpassen. Deshalb steigen sie ein“, sagt Hartmut Walz, Finanzökonom an der Hochschule Ludwigshafen gegenüber der dpa.
Dabei birgt die Investition auf dem Krypto-Markt ein hohes Risiko: Nicht nur die starken Preisschwankungen müssen Anleger:innen aushalten können. Auch das Handling der Token unterscheidet sich stark von anderen Investments wie Aktien oder Indexfonds.
Was spricht also für und was gegen ein Investment in Kryptowährungen? Wir haben uns einige Argumente genauer angeschaut und Expert:innen gefragt. Aus unserem Themenspecial „New Finance“.
Pro: Potenzial der Blockchain-Technologie
„Kryptowährungen sind eine neue Anlageklasse mit Potenzial, gerade auch was den Einsatz dieser Technologie in anderen Bereichen angeht“, sagt Marktanalyst und Blockchain-Experte Timo Emden von Emden Research. Wer auf die Vergangenheit schaue, sehe, welche Kurschancen es dort durchaus gebe.
Tatsächlich eignet sich die Blockchain-Technologie nicht nur für Zahlungen und als Mittel für die Wertaufbewahrung, wie wir es von staatlichen Währungen kennen. Die Technologie hinter den digitalen Währungen verwaltet und verarbeitet Daten. Aus dieser simplen Definition leiten sich viele, heute bereits angewendete Nutzungsszenarien ab.
Dazu zählen digitale Identitäten, Patientenakten oder Versicherungsdienstleistungen. Eine elektronische Möglichkeiten für Wahlen, intelligente Verträge (Smart Contracts), Schutz geistigen Eigentums, Automatisierung von Geschäftsprozessen oder transparentes und schnelles Supply-Chain-Management. Außerdem sehen wir bereits den Trend, reale Assets wie Immobilien oder Luxusgüter zu tokenisieren, also auf einer Blockchain abzubilden.
Welche dieser Anwendungsmöglichkeiten sich letztendlich durchsetzen wird und welche neuen hinzukommen, ist noch unklar. Zwar ist die Technologie vielseitig einsetzbar, aber nicht in jedem Fall erforderlich oder effizient.
Kontra: Unerfahrenheit des Marktes und mancher Anleger:innen
Der Markt der Kryptowährungen ist neu und disruptiv. Allerdings ist er auch noch sehr jung und entfernt von einer massenhaften Adaption. Ökonom Hartmut Walz warnt deswegen: „Es ist ein fatales Signal, dass der Kauf von digitalen Währungen immer einfacher wird. Das richtet sich an die falschen Zielgruppen.“ Die Erfahrungen mit der Anlageklasse seien noch dünn. Und wer investieren wolle, lasse außer Acht, dass viele Coins längst wieder eingestellt worden seien.
„Niemand kann wirklich die Risiken einschätzen“ – Finanzökonom Hartmut Walz
Viele Anleger:innen blendeten also die Gefahren eines Kaufs aus. „Niemand kann wirklich die Risiken einschätzen, schon gar nicht Kleinanleger. Schon die Grundzüge der Technologie hinter den Währungen sind schwer zu verstehen“, sagt Walz. Dabei gilt bei der Geldanlage ein Grundsatz: Man sollte nur Anlageprodukte kaufen, die man auch versteht. Nur dann weiß ein Anleger, wo sein Geld steckt.
Da hinter den digitalen Währungen keine realen Werte stehen, können sie jederzeit vom Markt verschwinden oder von anderen Währungen abgelöst werden. Das investierte Geld wäre in so einem Fall futsch. Das sollten Anleger:innen im Hinterkopf behalten.
Pro: Wachstumsmarkt für langfristige Investor:innen
Schon ein einzelner Tweet von Tesla-Gründer Elon Musk kann ausreichen, um die Kurse des Bitcoins in Bewegung zu setzen. Zum Beispiel als der Unternehmer 2021 ankündigte, Kund:innen könnten seine E-Autos künftig auch mit Kryptogeld bezahlen. Dies dann aber kurz darauf wieder revidierte. „Gewinne sind bei digitalen Währungen reines Glück. Wie sich der Markt langfristig entwickelt, kann niemand vorhersagen“, sagt Hartmut Walz.
„Volatilität ist ein natürlicher Teil des Marktes“ – Kryptoinvestorin Susanne Fromm
Eine Glaskugel hat wohl auch Susanne Fromm, CEO der Krypto-Beteiligungsgesellschaft Coin-IX, nicht. Sie und ihr Team glauben allerdings langfristig an den Kryptomarkt. „Volatilität ist ein natürlicher Teil des noch sehr jungen Marktes“, sagt sie. „Wir Kryptoinvestoren kennen solche kurzfristigen Kurseinbrüche schon. Wie viele andere Investoren auch, nutzen wir Kurseinbrüche als Einstiegschance und stocken unsere Positionen zu günstigen Preisen auf“, erzählt Fromm.
Die On-Chain-Signale deutet sie langfristig als sehr positiv gegenüber Kryptowährungen. Zum Beispiel steige die Zahl der Wallets und die Summe der darauf gehaltenen Kryptoassets kontinuierlich an. Kryptowährungen stellen für sie einen großen Wachstumsmarkt dar, von dem besonders Investor:innen mit langem Anlagehorizont profitieren können. Das erzählte sie in einem Interview gegenüber t3n.
Kontra: Der Bitcoin ist kein sicherer Hafen
In Krisenzeiten rutschen viele Aktiendepots ins Minus. Anleger:innen sehnen sich nach einem sicheren Hafen für ihr Vermögen. Aber ist der Bitcoin wirklich eine Krisenwährung? Befürworter:innen würden argumentieren, dass Kryptowährungen von keiner Zentralbank kontrolliert werden und somit nicht direkt unter dem Einfluss staatlicher Geldpolitik stehen.
„Das Narrativ des ‚sicheren Hafens‘ ist und bleibt ein Mythos“ – Marktanalyst Timo Emden
Doch allein schon aufgrund der hohen Volatilität nimmt Marktanalyst Emden Abstand von Kryptowährungen als sicherer Hafen. Zumindest kurzfristig sei der Bitcoin kein geeigneter Wertspeicher, erklärt er im t3n-Interview ausführlicher. Gegenüber der dpa warnt Emden: „Kryptowährungen bieten keinen Schutz in von Unsicherheit geprägten Marktphasen, da diese als hochriskante Anlageklasse fungieren und in der Regel fluchtartig verlassen werden, wenn es zu Unsicherheiten kommt. Das Narrativ des ‚sicheren Hafens‘ ist und bleibt ein Mythos.“
Pro: Natürliche Knappheit des Bitcoin und anderer Kryptowährungen
Bitcoin als digitales Gold? Dieser Vergleich wird oft angebracht, wenn es um Kryptowährungen in Krisenzeiten geht. Die älteste aller Kryptowährungen wird mit dem Edelmetall aber auch aufgrund ihrer begrenzten Verfügbarkeit verglichen. Analog zu Edelmetallen, die nicht endlos in der Erde vorhanden sind, ist auch der Bitcoin endlich. 21 Millionen Bitcoin können gemined werden, dann ist Schluss. Staatliche Notenbanken können ihre Druckerpressen dagegen nach Belieben anwerfen, was die Inflation anheizen kann, aber gerade in Krisen und bei hoher Verschuldung ein beliebtes Mittel ist.
Kontra: Kryptowährungen verbrauchen sehr viel Strom
Nicht nur jede einzelne Transaktion, sondern vor allem das Mining mancher Kryptowährungen verbraucht sehr viel Strom. Ob dieser Energieaufwand der Umwelt schadet, hängt davon ab, in welchen Ländern er anfällt und wie nachhaltig die Energie dort gewonnen wird. In einer idealen Welt stammt der Strom, den die Miner verwenden, aus Überschussenergie und erneuerbaren Energien. In dieser Welt leben wir allerdings noch nicht ansatzweise.
Zum Beispiel das Ethereum-Netzwerk hat das erkannt und im September mit einem umfassenden Upgrade zum Proof-of-Stake-Mechanismus gewechselt, der deutlich weniger energiehungrig ist. Denn Grund für den hohen Energieaufwand der größten Kryptowährung Bitcoin ist ihr Konsensmechansimus: Proof-of-Work.
Kryptowährungen, die auf diesem Mechanismus beruhen, hätte die Europäische Union fast verboten. Entsprechende Pläne sind in Brüssel zwar vom Tisch, aber China geht zum Beispiel gegen die Verbreitung der Coins vor.
Quellen: dpa, eigene Recherche