Rivian bietet bald Lieferwagen für alle an – doch was ist mit Amazon?
Rivian hat kurz vor dem geplanten Börsengang eine Seite online gestellt, auf der das Unternehmen elektrische Lieferwagen an Flottenkunden verkaufen will. Dort bietet es zudem Flottenversionen des E-Pickups R1T und des E-SUV R1S sowie eine Managementsoftware namens FleetOS an. Zusätzlich gibt es eine spezielle Ladeinfrastruktur für Flottenbetreiber zu kaufen. Rivian schreibt, ab 2022 werde man Bestellungen annehmen und die elektrischen Vans Anfang 2023 ausliefern. Eigentlich hat sich Amazon mit viel Geld die Exklusivrechte auf die Rivian-Lieferwagen gesichert. Nun stehen Überlegungen im Raum, etwa von The Verge, wie das zusammenpasst.
Amazon sichert sich mit Exklusivvertrag ab
2019 begann die Zusammenarbeit zwischen dem Onlinehandel-Marktführer und dem E-Auto-Startup. Man wolle gemeinsam an einem E-Lieferwagen arbeiten, hieß es damals. Amazon ließ verlauten, man bestelle 100.000 Stück, um den eigenen CO2-Fußabdruck zu schmälern. Bis 2024 soll Rivian die Fahrzeuge liefern. Wie aus Börsendokumenten hervorgeht, vereinbarten beide Partner, dass Amazon nach der Lieferung der ersten Charge vier Jahre die Exklusivrechte auf die Autos erhält. Ein weiterer Passus gibt dem Big-Tech-Konzern das Vorkaufsrecht vor allen anderen Unternehmen, die die Vans kaufen wollen – und das für zwei Jahre.
Amazon besitzt 20 Prozent Beteiligung
Bevor Rivian seinen Börsengang vorbereitete, standen viele Finanzierungsrunden an. Milliarden von Dollar nutzte Rivian für die Serienreife der Fahrzeuge und den Aufbau der Produktionsanlagen. Amazon war oft dabei und erwarb bei den Runden etwa 20 Prozent an dem Startup. Es soll bei dem Tech-Konzern mit 2,5 Milliarden Dollar in der Kreide stehen. Mit diesem Geld hat sich Amazon nicht nur den Van gesichert, sondern auch dessen Komponenten. Laut Vertrag darf der Konzern sich auch nur am Skateboard, also dem Antriebsstrang von Rivian, bedienen und ein anderes Unternehmen für Kabine und Karosserie bestellen. Er hat sich zudem das Recht gesichert, bestimmte Anbieter für Batteriezellen oder autonome Fahrsysteme zuzulassen.
Kleine Lücken und Grauzonen
Es ist also unwahrscheinlich, dass Rivian sich aus dem Griff des Shopping-Multis befreien kann. Aber wie sonst passt die Van-Offerte ins Vertragswerk? Amazon selbst könnte das Interesse verloren haben. Wenn der Konzern nicht innerhalb der ersten zwei Jahre 10.000 der Lieferwagen bestellt, muss er bestimmte Kosten erstatten und die Exklusivrechte abgeben. Allerdings wirbt Rivian weiterhin damit, in 2021 die ersten Wagen an den Versender auszuliefern. Das Unternehmen hat diesen Plan ausdrücklich bestätigt. Die Exklusivklausel wäre auch gestorben, wenn Amazon vor dem Erreichen der 100.000 die Vereinbarung kündigt. Doch auch dafür gibt es zunächst keinen Grund. Eine Definitionslücke bietet noch den besten Ansatz: Der Vertrag zwischen den Partnern spricht von „Lieferwagen für die letzte Meile“. Auf dem Web-Angebot ist jedoch von Nutzfahrzeugen die Rede – eventuell will Rivian auf dieser Basis das Lieferverbot an die Amazon-Konkurrenz umgehen.
Egal wie der Deal zwischen Rivian und Amazon im Detail auch aussehen mag – einige Bereiche in dem S-1-Börsendokument sind geschwärzt –, die Krähen werden sich wohl gegenseitig keine Augen aushacken. Amazon hat viel Geld in das Startup gesteckt und ein Interesse daran, dass es erfolgreich ist. Das ergibt sich schon alleine daraus, dass Jeff Bezos seinem Widersacher Elon Musk und dessen Tesla-Unternehmen ein wenig Wettbewerb wünscht. Und Rivian? Rivian sollte erst mal kleine Brötchen backen und die Serienproduktion für die bestehenden beiden Fahrzeugreihen R1T und R1S auf die Reihe bekommen. Ob Rivian in der Lage ist, eine solche Produktion zu skalieren, hat das junge Unternehmen mit der toxischen Boy-Culture noch nicht bewiesen. Der Börsengang sollte genug Geld einspielen, damit es das zeigen kann.