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2 Experten und 1 Gründer: Jugendliche sollten zum Gründen befähigt werden!

Teenager:innen, die Unternehmen gründen: Kann das gut gehen? Und selbst wenn die Antwort „Nein“ lautet – warum sollten sie trotzdem dazu befähigt werden und es probieren?

8 Min. Lesezeit
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Links: Dominik Klepek, der mit 15 begonnen hat, Grammario zu programmieren. Rechts: Guido Langemann von der IHK Hannover. (Fotos: Dominik Klepek, Guido Langemann)

Ein 15-Jähriger schreibt auf Linkedin von der Gründung einer eigenen Marketing-Agentur. Er interessiere sich seit zwei Jahren für Marketing und habe sich mit Podcasts und Büchern weitergebildet. Die Agentur seines 18-jährigen Mentors nutzt Stockfotos als Arbeitsproben. Ominös. Der gemeinsame Nenner: Startup Teens – eine Organisation, die auf der anderen Seite professionelle und erfolgreiche Gründungen wie Grammario hervorgebracht hat. Charles Bahr mit Project Z und Neil Heinisch mit Play the Hype, um bei Agenturen zu bleiben, zeigen auch, dass Gründungen von Teenager:innen enorm erfolgreich werden können. Hauke Schwiezer, Co-Founder und Geschäftsführer von Startup Teens, Guido Langemann von der IHK Hannover und Dominik Klepek, Gründer von Grammario, sprechen darüber, warum es notwendig ist, dass Menschen noch im Schulalter zum Gründen befähigt werden – und warum es nicht schlimm ist, wenn eine solche Gründung ein Schuss in den Ofen ist und scheitert.

Gründungskultur: Deutschland wird abgehängt

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Es besteht massig Nachholbedarf in der deutschen Gründungskultur, sagen Langemann und Schwiezer. Sowohl Neugründungen als auch Unternehmensnachfolgen seien seit Jahren leicht rückläufig, so Schwiezer. Laut Langemann wurde zu Anfang der Pandemie in Niedersachsen ein bisschen mehr gegründet: Die Menschen hatten Zeit und Muße. Mittlerweile seien die Zahlen wieder rückläufig, auch er sagt, dass Unternehmensnachfolgen nur wenig stattfinden.

Niedersachsen ist beispielhaft für ganz Deutschland: Beim Global Entrepreneurship Monitor liegt Deutschland auf Platz 41 von 43. Es gründen 4,4 Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der Männer. Laut einer Yougov-Umfrage können sich 46 Prozent aller Befragten der Generation Z vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. 42 Prozent geben als größtes Hindernis aber fehlendes Wissen an. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern wird von einer Oebix-Studie bestätigt: Die ökonomische Bildung in Deutschland ist lausig. Sie ist in den Lehrplänen extrem schlecht verankert, seit 18 Jahren wird der Forderung nach Mindeststandards für ein Wirtschafts-Schulfach nicht nachgekommen. 11 von 16 Bundesländern erfüllen nicht einmal die Hälfte der Anforderungen für Wirtschaft als Nebenfach. Auch die Lehrkräftebildung ist höchst defizitär.„Es ist unser Versagen als Volkswirtschaft, junge Menschen adäquat auf die berufliche Zukunft vorzubereiten“, sagt Schwiezer.

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Junge Gründer:innen seien meistens Kinder von Selbstständigen, beobachtet Langemann. Auch Schwiezer kritisiert das: „Es gibt kein Land in Europa, in dem der Kausalzusammenhang zwischen gesellschaftlicher Schicht, in die man ohne Leistung aus Zufall hineingeboren wird, und den Möglichkeiten zum Bildungsaufstieg so schlecht ist wie in Deutschland – immer noch die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt.“ In der Realität können hier nur die gründen, deren Eltern Unternehmer:innen sind – alle anderen haben Pech. Denn wenn sie es nicht Zuhause lernen, lernen sie es nirgends.

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Lehrer:innen sind blind für Unternehmertun

Lehrer:innen seien ein gutes Beispiel für einen klassisch sicheren Werdegang, so Langemann: Von der Schule zum Studium zurück an die Schule. Die meisten Lehrkräfte seien nie in der freien Wirtschaft gewesen. Es falle ihnen schwer, Talente und Ideen zu erkennen und entsprechend zu fördern. „Der Gedanke muss doch sein, dass jedem Jugendlichen* in der Schulzeit, spätestens im Studium, das Thema nähergebracht wird“, sagt er. Das müssten nicht alle gut finden. Wichtig sei, dass bereits in der Schule verdeutlicht würde, dass es Alternativen zur Angestelltentätigkeit gebe. Auch Schwiezer sagt: „Wir sind so schwach darin, Talente zu identifizieren und zu fördern, sondern wir lernen in der Schule: Mache keine Fehler – anstelle von: Stärke deine Stärken.“

Wir seien altertümlich in der Förderung junger Menschen, so Schwiezer. Er kenne keine einzige wissenschaftlich saubere Studie, die belege, dass Jungen und Mädchen andere Begabungen haben – dennoch werde das in der Schule suggeriert und separiert, sodass sich eine Interessens-Vakanz ergebe. Das führe zu Studiengängen, in denen sechs Prozent Frauen studieren. Er könne die Sonntagsreden nicht mehr hören, in denen betont werde, wie dringend junge Gründer und vor allem Gründerinnen benötigt würden – das sei klar. Die fallen nicht vom Baum und niemand sei bereit, möglichst fix den miesen Status quo zu ändern. Dafür sei die Schulzeit wichtig – zwischen 14 und 18 fände ein Großteil der Persönlichkeitsentwicklung statt.

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Mit Startup Teens nachholen, was in der Schule verpasst wird

Hier kommt Startup Teens ins Spiel. Deren Ziel ist ein „Mindset-Change bei jungen Leuten: Wir möchten junge Menschen befähigen, ihre eigenen Ideen umzusetzen und Probleme zu lösen, und damit drei Zielgruppen hervorbringen – mehr Gründer, mehr Nachfolger in Familienunternehmen und Intrapreneure“, so Schwiezer. Bei Startup Teens gibt es Lernvideos von der Finanzplanung über den Businessplan bis zu Coding-Grundlagen, Ideencamps für die Weiterentwicklung der Geschäftsideen, Networking-Events und Mentor:innen sowie die Businessplan-Challenge, bei der die Gewinner:innen 10.000 Euro erhalten. Das Gründen selbst ist dabei nur ein Nebeneffekt der Befähigung und des Sparrings: „Uns ist völlig egal, ob die Person gründet oder später mal im Landratsamt sitzt. Aber wenn im Landratsamt, dann bitte als eine Person, die innovative Ideen umzusetzen versteht. Und wir merken in der Pandemie: Es fehlt in allen gesellschaftlichen Ebenen, auch in der Politik, an Umsetzungskompetenz.“

Hauke Schwiezer von Startup Teens

Hauke Schwiezer: Einer der größten Förderer der Generation Z in Deutschland, Co-Founder und Geschäftsführer von Startup Teens. (Foto: Tobias Ruecker / Startup Teens)

Warum sollten Teenager:innen gründen können?

Junge Menschen haben, wenn sie haftungsbeschränkt gründen, eine niedrige Fallhöhe und geringe Risiken. Im Gegenzug erhalten sie eine Befähigung und Erfahrung, die im weiteren Lebensweg enorm hilft und die nur wenige Menschen aufweisen können. Wir sind sehr darauf versiert, eins nach dem anderen machen: Abi, Studium oder Ausbildung, dann Berufseinstieg. Eine Gründung neben der Ausbildung parallel zu machen, wird direkt als „unrealistisch“ abgestempelt – anstatt die Bedingungen dafür zu verbessern. „Wenn sich ein Jugendlicher selbstständig macht, kann er davon immer profitieren: Ob im Bewerbungsgespräch oder bei komplexen Aufgaben – das sind Erfahrungswerte, die auf jeden Fall weiterhelfen“, so Langemann.

Auf der anderen Seite sind die Risiken gering. Das Sicherheitsbedürfnis werde im Alter nur größer, so Langemann. Später muss der Lebensunterhalt verdient werden, um die Familie zu ernähren, Kredite zu tilgen oder sonstige fixe Ausgaben zahlen zu können. Bei Startup Teens werde sehr stark vermittelt: „Schütze dein Privatvermögen und das deiner Eltern. Und wenn du gründest, dann gründe haftungsbeschränkt“, wie Schwiezer sagt. Sowohl bei der IHK und bei Startup Teens wird bei schwachen Ideen auf die Marktsättigung und die dadurch geringen Erfolgschancen hingewiesen. Die Idee soll aber weiterentwickelt, nicht das Vorhaben gestoppt oder die Motivation erstickt werden. Schwiezer weist auf das Risiko einer eigenen Fehleinschätzung hin: Es bestehe die Gefahr, dass eine gute Idee oder eine Chance nicht erkannt wird. „Dass junge Leute eine UG gründen, um sich auszuprobieren – den Schritt finden wir sehr begrüßenswert“, sagt er. Ihnen ist das Sparring zur Entwicklung von Ideen wichtig, sie sind keine Gründungsberatung – möchte aber jemand darüber hinaus den Schritt in die Praxis wagen, heißt es: „Die Entscheidungen triffst du, weil es dein Leben ist.“

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Wir müssen definieren, was Erfolg ist

Wie sind aber die Erfolgschancen so junger Gründer:innen? „Mäßig“, sagt Langemann. „Die Frage ist aber: Wie definierst du Erfolg?“ Wenn es um wirtschaftliches Wachstum gehe, sehen die Chancen mau aus. „Das Ziel sollte nicht sein, Geld zu verdienen. Das Ziel sollte sein, Erfahrung zu sammeln und eine gute Idee mal bis zum Ende durchzusetzen.“ Wenn am Ende nur fünf Produkte verkauft wurden, sei das ein Erfolg, keine Niederlage. Sicherlich sei es keine wirtschaftliche Meisterleistung, aber man habe ein Produkt bis zur Marktreife gebracht. Das könne man für den weiteren Lebensweg mit sich nehmen – dass man es geschafft habe, in einem Umfeld erfolgreich zu sein, das einem nicht entgegenkommt. Da könne jemand noch nicht Auto fahren, vielleicht ein Bier trinken – und hätte es trotzdem geschafft, sein Produkt zu verkaufen.

Grammario als Paradebeispiel

Dominik Klepek war 15, als er angefangen hat, Grammario zu programmieren. Er hat die Businessplan-Challenge gewonnen und bezahlt vom Geld einen Mitschüler, der beim Coden hilft. Er suche bereits nach einem Freelancer oder einer Freelancerin, der oder die bei der Erstellung der Inhalte unterstütze. Außerdem stünde der offizielle Launch der App Anfang nächsten Jahres bevor, aktuell ist sie in der Open-Beta-Phase. Für den Launch ist eine Kampagne mit Influencer:innen geplant, er hofft auch auf Kooperationen mit Sprachschulen. Nächstes Jahr möchte er gern das erste Büro haben und eine festangestellte Person. Es gibt auch einen potenziellen Investor. Klepek ist also längst über die Probierphase hinaus. „Die höhere Vision ist es, daraus die Nummer 1 App für Grammatik und Rechtschreibung zu machen – nicht nur für Deutsch“, sagt Klepek. Im Gegensatz zu Babbel und ähnlichen Apps ist Grammario nicht da, um die Sprache neu zu lernen, sondern speziell Grammatik und Rechtschreibung bestehender Sprachkenntnisse zu verbessern. Der Bedarf ist da: „Man muss nicht lange durchs Internet scrollen, um zu sehen, wie das aussieht mit Rechtschreib- und Grammatikkenntnissen“, scherzt er.

Neben der Challenge hat ihm Startup Teens schnell Mentor:innen vermittelt. Mit diesen steht er schon lange in Kontakt, sie unterstützen ihn bei Themen, in denen er noch nicht versiert ist. Bei der Challenge selbst habe er sich dank Sparring und Feedback noch einmal intensiv mit seiner Geschäftsidee auseinandergesetzt. Die Lerninhalte waren auch hilfreich: An unternehmerischer Bildung hat Klepek nichts in der Schule erfahren – er erinnert sich, mal zwei Texte gelesen und eine Hausaufgabe zum Thema gemacht zu haben. Ausreichend ist das bei weitem nicht. Und wenn Grammario scheitert? „Was halt ganz schön ist, ist, dass man diese Basis noch hat“, sagt er. Er müsse sich nicht um einen Lebensunterhalt kümmern. Er hat im Grunde also wenig zu verlieren – außer Zeit. Dafür gewinnt er enorm an Erfahrung, die sich später bezahlt machen wird.

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Bürokratie als Test

Auf Linkedin wird unter dem oben erwähnten Beitrag beteuert, wie furchtbar die Bürokratie die jungen Menschen daran hindere, ein Unternehmen zu gründen. Langemann sieht das nicht kritisch. Bürokratie habe ihren Zweck – es muss beispielsweise sichergestellt werden, dass die Grundlagen für eine Gründung gegeben seien und der Schulabschluss gemacht werden kann. Er rät dazu, die Bürokratie als Test zu verstehen. Denn die Formalien verschwänden nach einer Gründung nicht, ein Unternehmen zu führen bedeute eine Menge Papierkram. „Wem dieser Test schon zu schwer ist, der tut gut daran, sich nicht selbstständig zu machen.“ Dazu müsse man sich in dieser Phase noch einmal genau mit dem Vorhaben auseinandersetzen. Klepek fand den Prozess auch anstrengend, vor allem aber, weil er seinen Plan ständig mehrmals erläutern musste, weil die zuständigen Personen ihn nicht verstanden. Es fehlt also auch an Kompetenz, vor allem Digitalkompetenz, in Ämtern und Gerichten.

Und die ominösen Marketing-Agenturen?

Auf die zwei anfangs erwähnten Agenturen angesprochen, lacht Schwiezer – junge Menschen würden öfter Sachen machen, die so nicht gedacht sind oder hören nicht auf guten Rat. Aber er fragt, was denn eigentlich passieren soll. Unternehmen sollten vor einer Kooperation ihre potenziellen Partner:innen ohnehin genau prüfen. Die Unternehmensform einer UG deute an, dass es weniger Substanz gebe und eventuell eine Rechnung nicht bezahlt werden könne. Langemann verweist darauf, dass natürlich für junge Menschen auch gilt, dass sie sich professionell verhalten müssen und ein Alleinstellungsmerkmal benötigen. Ist beides nicht gegeben, dann wird es keine Kund:innen geben und das Unternehmen scheitert. Erfahrungen haben die jungen Menschen trotzdem massig gesammelt – geschadet hat es niemandem.

* Sowohl Schwiezer als auch Langemann wiesen im Gespräch darauf hin, dass sie beim Sprechen nicht gendern, aber alle Menschen meinen.

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Niko Müller

Wunderbare Unterstützung. Warum passiert so viel in Kalifornien und nicht hier?? Dies könnte ein Weg sein.
Nur dieser Gendertalk „ihre potenziellen Partner:innen “ ist ganz übel. So spricht eine winzige Minderheit im Lande.

Antworten
Josefine Kramer

Hey Niko!
Ja, gerade die USA kamen in den Gesprächen auf, dass dort mehr und jünger gegründet wird, wir uns aber dort (leider) nichts abschauen.
Bezüglich des Genderns ist hier das Statement unseres Chefredakteurs Holger Schellkopf: https://t3n.de/news/gendern-t3n-sprache-1393684/
Wenn du über das Gendern diskutieren möchtest, kannst du das beim verlinkten Artikel tun. Hier geht es thematisch um etwas Anderes. Und ich finde, es wird meinen Gesprächspartnern nicht gerecht, die Diskussion in vollkommen andere Gefilde abzulenken.
Danke!
Liebe Grüße
Josie

Antworten

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