- Die Wunschvorstellung: Billig, schnell, besser
- Expertise sparen ist teuer
- 1. Falsche Kennzahlen
- 2. Falsche Erwartungshaltungen
- 3. Frustration
- 4. Falsche Schlüsse werden gezogen
- 5. Schaden an Produkt und Image
- Was braucht es für effektives Inhousing?
- Wie sollte man mit dem Inhousing beginnen?
- Für wen lohnt sich Inhousing?
- Was es in jedem Fall braucht: Corporate Identity und Brand-Guidelines
- Ist Inhousing wirklich billiger?
Inhousing wird auf der Unternehmensseite romantisiert – die eigenen Leute können Marketing viel besser und billiger. Was vergessen wird: Sie kennen zwar Werte und Produkte, haben aber oft unzureichendes Marketing-Know-how. Dann machen sie Anfängerfehler, verkaufen beispielsweise das Produkt als Angebot. Das Angebot ist aber nicht der Nagel selbst, sondern das Bild an der Wand.
Schlimmer wird es bei technischen Fragen: „Viele Leute wissen gar nicht, wie man einen richtigen Test aufsetzt“ inklusive Hypothesen, den richtigen Kennzahlen und erforderlichen Testszenarien, sagt Simon Mader, Co-Founder der Social-Performance-Advertising-Agentur Adbaker. Er erzählt am Beispiel von Social-Media-Marketing, welche Faktoren gegeben sein müssen, damit das Inhousing eben kein Wunschtraum, sondern eine sinnige Maßnahme ist.
Die Wunschvorstellung: Billig, schnell, besser
Die Idee: Inhousing ist billiger als eine Agentur. Die eigenen Angestellten könnten Werte, Mission und Brand-Voice des Unternehmens besser umsetzen – sie leben sie ja täglich. Agenturen würden das nur imitieren können. Zuletzt würden sie schneller reagieren und flexibler eigene Prioritäten setzen können. Wird das Inhousing ideal umgesetzt, ist das langfristig auch korrekt.
Expertise sparen ist teuer
Das Problem ist, dass in der Realität oft nicht genug Fachkenntnis im Haus ist oder eingeholt wird. Fehlende Expertise im Aufbau des Inhouse-Marketings führt aber zu einigen Problemen, die einander bedingen.
1. Falsche Kennzahlen
Es benötigt Expertise, um die richtigen Kennzahlen auszuwählen und in ein faires Verhältnis zu setzen, um Kampagnen und Mitarbeiter:innen zu bewerten. Es ist beispielsweise valide, zwei Contentformate anhand derselben KPI (wie Likes oder Views) zu vergleichen, um herauszufinden, welches besser funktioniert. Unsinnig sind KPI, die nicht zum Ziel der Kampagne passen, wie Impressions auf eine Ad mit dem Ziel von Verkäufen oder Vergleiche mit fremden Branchen oder Personen. Klempnerei XY wird mit ihren Reels nie so viele Likes kriegen wie Sophie Passmann.
2. Falsche Erwartungshaltungen
Sind die Kennzahlen unklar, wirkt sich das auf die Erwartungen aus. Was wird von der Person und den Kampagnen erwartet? Ohne fachliche Expertise werden unfaire und unrealistische Ziele gesteckt, die niemand erreichen kann. „Wenn man sagt: ‚Du postest jetzt schon ein halbes Jahr, aber diese eine Meme-Seite, die hat soundsoviele Likes, warum haben wir nicht so viele?‘ – dann ist das wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen und total unfair“, sagt Mader.
3. Frustration
Falsche Erwartungen führen zu Frust: Die gewünschten Ergebnisse bleiben aus, Stakeholder beschweren sich. Mader hat schon Inhouse-Marketer:innen das Unternehmen in kürzester Zeit wieder verlassen sehen – dabei hatten sie keine ehrliche Chance.
4. Falsche Schlüsse werden gezogen
Wenn KPI nicht korrekt gelesen werden und Kampagnen nicht richtig ausgeführt werden, sind die Ergebnisse falsch. Ein Kanal wird als irrelevant erklärt – dabei würde der eventuell viel Umsatz bringen, würde man ihn korrekt bedienen. Oder Personal wird entlassen, das keine Chance hatte, die Erwartungen zu erfüllen.
5. Schaden an Produkt und Image
Abgesehen von in Sand gesetztem Budget und verspielten Chancen können Produkt und Markenimage Schaden nehmen. Social Media funktioniert eben nicht wie der Laden- oder Messeverkauf. Der Auftritt kann dann nichtssagend, im schlimmsten Fall aber auch peinlich oder irritierend wirken.
Was braucht es für effektives Inhousing?
Mader sieht drei Voraussetzungen für effektives Inhousing. Die erste ist eine Person, die den Kanal bedient. „Es ist essenziell wichtig, dass dieser Mitarbeiter bis in die Zehenspitzen motiviert ist und Lust hat auf dieses Thema“, so Mader. Eine motivierte Person könne besser lernen. Auf Social Media braucht es einen Drive, lieblos erstellte Inhalte performen schlicht nicht. Es würde nicht funktionieren, das einer Person aufzudrücken, die keine Lust darauf hat.
Zweitens braucht diese Person Sparringspartner:innen. Viel zu oft werden Menschen mit neuen Aufgaben allein gelassen. „Das ist wie bei einem Computerproblem in der Firma, da wird sich prinzipiell von abgewandt: ‚Nee, das macht die IT. Dass ich jetzt selbstständig meinen Computer neu starte, das mache ich nicht.‘“ Ähnlich würden Kolleg:innen die Hände von den Social-Aktivitäten nehmen, denn es gebe ja nun eine:n Expert:in und sie bräuchten oder könnten dazu nichts sagen. Aber Menschen brauchen Austausch und Feedback – für die meisten Personen ist das eine Voraussetzung für Lernvorgänge!
Drittens muss das Unternehmen Budget für langfristige und regelmäßige Weiterbildungen bereitstellen und bei deren Organisation helfen. Es darf nicht die Erwartung sein, dass eine Person einen neuen Bereich übernimmt und sich alles autodidaktisch aneignet. „Das können manche Menschen, aber viele brauchen einen klaren Plan und Hilfestellung – und das ist auch völlig in Ordnung.“
Vereinzelte Guides oder Reports reichen nicht – Mader meint Schulungen, Konferenzen und Seminare in regelmäßigen Abständen. Ein vierstündiger Deep Dive sei gut für frische Ideen – aber für fachliches Know-how reicht er nicht. Mader vergleicht das mit dem Handwerk: Wenn du im Garten eine Mauer gebaut haben möchtest, möchtest du jemanden mit einer Berufsausbildung – und nicht eine Person, die einmal einen vierstündigen Vortrag gehört hat und sich deswegen als Maurermeister:in betitelt. Die Disziplinen des Onlinemarketings sind nicht weniger lernintensiv, nur weil sie im Internet stattfinden.
Wie sollte man mit dem Inhousing beginnen?
Mader empfiehlt, sich für einen Kanal zu entscheiden und schrittweise Maßnahmen und Team zu erweitern. Für den Social-Media-Bereich empfiehlt er Meta, also Facebook und Instagram. „Meta ist Formel 1 – und wenn du dann mal eine Kampagne auf Linkedin schaltest, dann ist das wie Dreirad fahren.“ Denn die Werbeplattform von Meta ist neben Google eine der ältesten. Wer den Meta-Anzeigenmanager beherrscht, kann auch alle anderen Anzeigenplattformen bedienen: Alle orientieren sich am Meta-Produkt und nutzen dieselben Mechanismen. Lediglich der Ton und der Vibe der Creatives muss der jeweiligen Plattform angeglichen werden.
Es kann aber nicht eine Person das gesamte Onlinemarketing übernehmen – es sei denn, sie bekommt Agenturen an die Hand. Von denen kann die Person auch lernen, wie große Werbeprojekte anzugehen und zu organisieren sind oder wie sie effizient umgesetzt werden.
Für wen lohnt sich Inhousing?
Mader macht es von der Außenwirkung abhängig. Für Startups ist kein glattes, perfektes Hochglanzimage vonnöten – sie wollen den Markt prüfen und das Produkt vorstellen. Ein Startup mit perfekten Creatives würde zudem komisch wirken – die Priorität sollte bei Produktentwicklung und Unternehmensaufbau liegen, nicht bei Social Media. Wenn hier eine Person die Socials bedient und grob postet, passt das zum Gesamteindruck.
Ähnlich ist es bei KMU, vor allem in Handwerk: Sie wollen zeigen, was sie können, und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Auch da ist keine Perfektion nötig. Für die Vorstellung der restaurierten Barock-Kommode wirken enthusiastische Tischler:innen, die ihre Arbeitsschritte erklären, am kompetentesten – ob das Video dabei wackelt, ist egal. Ähnlich ist es mit der Arbeitgebermarke: Hauptsache ist, dass das Arbeitsklima als freundlich, authentisch und wertschätzend wahrgenommen wird. Wenn die Azubis dabei keine schauspielerische Glanzleistung abliefern, ist das in Ordnung.
Bei größeren Unternehmen mit einer bekannten Marke gibt es andere Erwartungen. Social-Media-Posts, die in die bestimmte Fettnäpfchen treten, lösen Shitstorms aus – mit der großen Reichweite kommt Verantwortung. Das heißt, dass nicht nur Rahmenbedingungen wie die Gestaltung von Postings und das Wording geklärt sein müssen – auch die Inhalte brauchen eine starke strategische Basis.
Große Unternehmen haben inhouse meistens Mitarbeiter:innen. Mader sieht es als wichtig an, dass diese kontinuierlich geschult werden und im besten Fall eine:n Consultant haben, der:die mit Expertise objektive Kritik liefert – oder dass eine Agentur gesteuert wird. Die Strategie und die Entwicklung der Corporate Identity sollte inhouse geschehen, die operativen Arbeiten können abgegeben werden.
Was es in jedem Fall braucht: Corporate Identity und Brand-Guidelines
Ob inhouse oder Agentur: Fehlt ein Verständnis der eigenen Marke, kann es nur schiefgehen. „Für die meisten ist es ja schon schwierig, das eigene Werteverständnis zu formulieren“, spricht Mader aus Erfahrung. Kleinere Unternehmen haben oft keine Corporate Identity und keinen Brand- oder Voice-Guide – es gibt keine Eckpfeiler, an denen sich Inhouse-Mitarbeitende oder eine Agentur festhalten können. Da werde viel „nach Gefühl“ gearbeitet, Kriterien könnten aber nicht benannt werden. „Ich glaube, deswegen sagen sie zum Beispiel: ‚Da ecken wir mit der Agentur an, die machen das nicht so, wie wir das wollen.‘ Das Problem ist aber oft, dass sie es selbst gar nicht mitteilen können.“
Auch Inhouse-Marketer:innen, die eine Agentur steuern, müssen regelmäßig Weiterbildungen erhalten. „Je besser die Person educated ist, desto besser kann sie eine Agentur steuern und versteht mehr. Oder – um das einmal überspitzt zu formulieren – sie kann kann auch nicht mehr verarscht werden.“ Im besten Fall können sich Agentur und Inhouse-Mitarbeitende besser austauschen – im schlimmsten Fall kann eine Agentur Kennzahlen nicht mehr aufhübschen oder Fehler vertuschen.
Ist Inhousing wirklich billiger?
„Ich würde sagen Nein.“ Vielleicht erscheint es anfangs billig – dafür gibt es aber auch wenige nennenswerte Erfolge. Gerade zu Beginn ist es eine große Investition in eine Person und die eigene Firma. Irgendwann werden Tools und Hardware benötigt – und immer mehr Personal, je mehr inhouse umgesetzt werden soll. Damit kommen erneute Personal- und Weiterbildungskosten. Langfristig aber kann sich diese Investition auf jeden Fall lohnen, sagt Mader.
Er rät, es vom Budget des Unternehmens abhängig zu machen. Ist Zeit vorhanden, aber ein kleineres Budget, dann empfiehlt er, langsam und stetig das Inhouse-Know-how aufzubauen. Wer Geld, aber keine Zeit hat und Schlagzahl machen will, dem empfiehlt Mader, zuerst eine Agentur zu beauftragen und parallel das Inhouse-Team aufzubauen.