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Analyse

Alle wollen Tiktok sein – doch was passiert, wenn das alle schaffen?

Instagram, Facebook, Twitter: Alle wollen wie Tiktok werden. Aber warum – und was passiert, wenn das geschafft ist?

6 Min.
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Social-Media-Plattformen: Alle wollen wie Tiktok sein – und dann? (Foto: TY Lim/Shutterstock)

Tiktok ist so erfolgreich geworden, dass es eine ernstzunehmende Konkurrenz für Instagram, Facebook, Twitter, Youtube und alle anderen Plattformen ist. Die Anzahl von Nutzer:innen und Downloads und die Nutzungsdauer steigt und steigt. 2021 war Tiktok die weltweit meistbesuchteste Seite, noch vor Google. Tiktoks Gesamt-Nutzungsdauer ist mehr als doppelt so hoch wie bei Netflix. Während Nutzer:innen und Marketer:innen früh klar war, dass Tiktok sich zu den etablierten Plattformen gesellen würde, haben diese die Konkurrenz zu spät ernst genommen. Schon länger wird das Kurzvideo-Format prominent in die Apps eingebaut. Nun sagen CEO ganz offen, dass die eigenen Plattformen mehr wie Tiktok werden müssen. Aber warum? Und was folgt?

Status quo: Alle wollen Tiktok sein

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Kurzvideos werden schon seit 2020 kopiert: Youtube vermeldete im April 2020 erstmals, dass an Shorts zu arbeiten. Instagrams Reels wurden im Juni 2020 in Deutschland gelauncht. Seit Februar 2022 sind Reels weltweit auch für Facebook verfügbar. Im ersten Quartalsbericht im April 2022 konnte Meta nach langer Zeit wieder ein Wachstum an Nutzer:innen vermelden.

Nun allerdings gibt es ganz klare Worte: Elon Musk, der Twitter kauft, sagte in einem internen Meeting zu den Angestellten, Twitter müsse wie Tiktok und Wechat werden. So würde das Ziel von einer Milliarde Nutzer:innen erreicht werden. Tom Alison, der für Facebook zuständige Meta-Manager, hat in einem internen Memo von April geschrieben, dass neben den Kurzvideos auch der Facebook-Feed eben wie Tiktok nicht nur Inhalte anzeigen soll, denen die Nutzer:innen folgen. Meta ist ohnehin dafür bekannt, sich erfolgreiche Produkte anzueignen: ganze Plattformen wie Instagram und Whatsapp oder Features wie Snapchats Stories, die in allen Meta-Produkten implementiert worden sind.

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Was hat Tiktok, was die anderen nicht haben?

Die Anweisungen von Musk und Alison zeigen: Es geht nicht nur um Kurzvideos, sondern auch um den Algorithmus. Kurzvideos sind gut für die Nutzungsstatistiken. Auf der einen Seite spielen sie natürlich mehr Views und Likes ein. In zehn Minuten können Nutzer:innen entweder ein langes Video sehen oder 40 15-Sekunden-Clips. Das heißt, in zehn Minuten wird abhängig von der Länge des Contents entweder ein View oder 40 generiert. Genauso entscheiden Nutzer:innen nicht ein, sondern 40 Mal, ob sie einen Like vergeben.

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Agenturen behaupten gern, dass Kurzinhalte gut funktionieren, weil die Aufmerksamkeitsspanne sinke – allerdings gibt es dazu keine Studienlage. Vielleicht liegt es stattdessen daran, dass der Aufwand für die Nutzer:innen, eine Entscheidung zu treffen – nämlich ob ein Video als interessant empfunden wird –, in keinem Verhältnis dazu steht, dass es nur 15 Sekunden dauert. Stattdessen lassen sie die paar Sekunden oft über sich ergehen und swipen danach weg – der View wurde dennoch generiert. Bei Skepsis, ob ein Clip interessant wird, können ein paar Sekunden problemlos geopfert werden – nicht aber ganze zehn Minuten. War ein Kurzvideo spannend, wird es mehrmals angesehen. Durch die reine Masse und vielen Themen entsteht außerdem ein Bombardement an Reizen, die Nutzer:innen bei der Stange halten.

Die zweite große Komponente ist der neue Algorithmus. Facebook, Instagram, Youtube und alle Plattformen, die Inhalte zum Konsumieren vorschlagen, basieren auf demselben Gedanken: Inhalte von Accounts, denen eine Person folgt, sind interessant. Inhalte, die viel Engagement bekommen, sind interessant. Inhalte über die Themen, die sich Nutzer:innen bereits angesehen haben, sind interessant. Dann kam Tiktok – und rund ein Viertel der vorgeschlagenen Inhalte ist etwas ganz Neues, teilweise Videos mit keinerlei Kommentaren und einer einstelligen Zahl an Likes, aus anderen Themenbereichen. Er verbindet bestätigte Interessen mit neuen Themen. Elon Musk beschreibt den Tiktok-Algorithmus als „nicht langweilig“ – genau das trifft den Nagel auf den Kopf. Auf allen Plattformen dieselben Inhalte zu denselben Themen zu sehen und dasselbe zu sehen wie die Freund:innen ist eben langweilig geworden.

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Dazu kam das Design: Zu Beginn wurden direkt beim Aufrufen der App Inhalte angezeigt, nicht mal ein Login war nötig. Die Videos nehmen bis heute im Feed den gesamten Bildschirm ein und sind so groß wie möglich, alle Funktionen wie Likes, Kommentare und jegliche anderen Funktionsbuttons liegen im Videobereich. Es gab quasi keine App. Es gab nur Videos, überall.

Die Plattformen haben eigentlich andere Ziele

Blake Chandlee, President für Global Business Solutions bei Tiktok, weist gegenüber CNBC darauf hin, dass die Plattformen eigentlich ganz andere Grundgedanken haben: Facebook sei auf dem Social Graph aufgebaut worden, also aus einem Vernetzungsgedanken. Tiktok dagegen wolle schlicht unterhalten. Deswegen habe Tiktok keinerlei Intention, Funktionen von Facebook zu kopieren. Chandlee sagt auch, dass Meta seinen Produkten damit schaden würde, eine Kopie von Tiktok zu werden.

Links: Tom Alison, der Meta-Verantwortliche für Facebook und rechts: Elon Musk, der Twitter kauft

Tom Alison, bei Meta für Facebook verantwortlich und Elon Musk, der Twitter kauft, wollen ihre Produkte wie Tiktok gestalten. (Fotos: Meta; picture alliance/Flashpic/Jens Krick)

Facebook versucht währenddessen, die Unterhaltung mit der Vernetzung zu vereinen: Tom Alison sagt gegenüber The Verge, dass sie unterschätzt hätten, wie sozial „dieses Format“ sein würde. Außerdem solle für Facebook eine „Entdeckungsmaschine“ gebaut werden, die den Feed betreibt. Damit und mit prominenteren Reels soll der Feed dem von Tiktok ähnlicher werden. Ein:e Facebook-Angestellte:r reagierte skeptisch und befürchtet, dass kurzfristig die Nutzung steigt, das langfristige Wachstum aber behindert wird – weil Nutzende merken, dass die verbrachte Zeit keinen Mehrwert bringt. Eine weitere Person befürchtet, dass Facebook bei der Jagd nach Trends das Kernziel aus den Augen verliert.

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Während Facebook die Tiktok-Strategie auf das ursprüngliche Konzept münzen möchte, will Elon Musk Twitter schlichtweg erweitern. Aus der Plattform für kurze Text-Updates soll ein westliches Wechat werden und für die Zukunft ebenso den gesamten privaten und einen Teil des beruflichen Alltags abdecken. Mehr noch, Twitter soll laut Musk zu einer stärkeren und länger andauernden Zivilisation beitragen, in der die Natur der Realität verstanden würde – eine Vision fernab des Möglichen.

Was bringt die Zukunft?

Wenn sich die Contentformen und der Algorithmus anpassen, werden auch überall dieselben Inhalte hochgeladen. Das zeigt sich bereits jetzt: In den Instagram Reels finden sich enorm viele Tiktoks. Sind alle Plattformen gleich, gibt es drei Möglichkeiten: Es kann sich eine Plattform durchsetzen und die anderen verdrängen; oder aber die Generationen splitten sich komplett auf ihre „Heimplattform“ auf. Damit blieben, vereinfacht gesagt, die Boomer auf Facebook, die Millennials auf Instagram und die Gen Z auf Tiktok und alle sehen dieselben Inhalte nur in einer anderen App. Oder aber es kommt ein neues Tiktok: eine Plattform, die alles anders macht, deswegen Menschen neugierig macht und damit der neue Standard wird, den es zu erreichen gilt.

Denn nicht nur die Videos, auch die Art des Algorithmus wird langweilig werden. Anfangs war ein interessensbasierter Feed enorm spannend. Langweilig ist es geworden, weil den die meisten Plattformen adaptiert haben und so schlicht die Abwechslung fehlte. Genau diese Gefahr besteht auch beim Tiktok-Algorithmus: Wenn überall willkürliche, neue Inhalte ausgespielt werden, ist es nicht mehr neu und aufregend, sondern nur noch willkürlich.

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Musks Wechat-Fantasie ist zumindest im EU-Raum unwahrscheinlich, eventuell aber auch in den USA. Datenschützer:innen, die Kartellämter und die Konkurrenz würde eine solche Super-App nicht unkommentiert hinnehmen. Die großen Tech-Konzerne wie Google und Meta müssen sich ohnehin ständig vor Kartellämtern verantworten – Twitter würde sich in ihre Reihen gesellen müssen, noch bevor es sich zur Super-App entwickelt hat.

Für den Mobile- und Desktop-Bereich ist wahrscheinlich eine Innovationsgrenze bei Social Media erreicht. Auf der anderen Seite werden die Nutzer:innen ihre bevorzugte Plattform nicht unbedingt wechseln – wer das bis jetzt nicht getan hat, wird es auch nicht tun, nur weil zwei oder drei Funktionen hinzukommen. Dementsprechend sieht es aktuell eher danach aus, dass dieselben Inhalte auf verschiedenen Plattformen laufen, wo sich jeweils grob eine Generation aufhält. Zumindest bis das Metaverse Realität wird, dann werden die Karten ohnehin neu gemischt.

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